IWF-Chefin Christine Lagarde muss wegen einer umstrittenen Millionenzahlung zu ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin vor Gericht. Das Pariser Kassationsgericht wies ihren Einspruch dagegen am Freitag zurück. Die 60 Jahre alte Französin erwartet damit ein Prozess wegen Fahrlässigkeit im Amt vor dem Pariser Gerichtshof der Republik. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht sein Vertrauen in die gerade erst für eine zweite Amtszeit bestätigte Finanz-Expertin aber nicht erschüttert.
Es geht um den Verdacht, Lagarde habe fahrlässig eine Entschädigungszahlung von gut 400 Millionen Euro an Bernard Tapie ermöglicht. Der Geschäftsmann hatte sich von der früheren Staatsbank Crédit Lyonnais beim Verkauf seiner Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas geprellt gesehen und deswegen geklagt. Lagarde war 2007-2011 Wirtschafts- und Finanzministerin unter dem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy.
Lagarde gab damals grünes Licht für das Schiedsverfahren, das dem politisch gut vernetzten Unternehmer Tapie 2008 das Geld zusprach. Der Schiedsspruch hatte wegen seiner Höhe heftige Kritik ausgelöst, bis heute laufen Ermittlungsverfahren.
Das ist Christine Lagarde
Christine Lagarde gilt als Grande Dame der Finanzwelt. Dabei ist die Französin an den Schalthebeln der internationalen Finanzmacht als Frau eher eine Ausnahmeerscheinung. Lagarde ist seit 2011 - und nach dem unrühmlichen Abgang ihres Landsmannes Dominique Strauss-Kahn - die erste Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Februar 2016 wurde sie für eine zweite Amtszeit bestätigt.
Lagarde ist zu einer der zentralen Figuren in der Euro-Schuldenkrise geworden. Vor allem in schuldengeplagten Ländern wird ihr Name aber nicht immer gern gehört. So werfen viele Menschen in Griechenland, aber auch in anderen Ländern wie Irland, dem IWF unter Lagardes Führung vor, zu strikte Bedingungen für die Gewährung von Hilfskrediten zu stellen.
Als frühere Synchronschwimmerin ist Lagarde ein langer Atem eigen. Zudem gilt sie als gut vernetzte, geschickte Verhandlerin.
Vor ihrer Laufbahn beim Weltwährungsfonds hatte sie sich als Anwältin einen Namen gemacht: Von 1999 bis 2004 leitete sie die US-Kanzlei Baker & McKenzie. In die Politik kam sie 2007, als der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy die gelernte Juristin, Ökonomin und Amerikanistin zur Wirtschafts- und Finanzministerin machte.
Schon seit Jahren aber hat die zweifache Mutter Probleme mit der französischen Justiz. Wegen einer undurchsichtigen Zahlung an den Geschäftsmann Bernard Tapie während ihrer Amtszeit als Wirtschaftsministerin musste sie 2016 vor den Gerichtshof der Republik. Der verurteilte sie als schuldig - setzte jedoch keine Strafe an. Lagarde hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Lagarde selbst bezeichnete die Vorwürfe und das Ermittlungsverfahren gegen sie stets als „völlig unbegründet“. Ihr Anwalt Patrick Maisonneuve bedauerte die Entscheidung des Kassationsgerichts. Er hob aber hervor, dass dieses sich nicht inhaltlich mit den Vorwürfen befasst hatte. „Diese Debatte wird vor dem Gerichtshof der Republik stattfinden, und ich bin überzeugt, dass dieser jede Verantwortlichkeit von Frau Lagarde ausräumen wird“, sagte er.
IWF spricht Lagarde das Vertrauen aus
Die Französin steht seit 2011 an der Spitze des Internationalen Währungsfonds. Das Exekutivdirektorium sei über das Verfahren unterrichtet worden, teilte Sprecher Gerry Rice am Freitag mit. Man vertraue weiterhin auf Lagardes Fähigkeit, ihre Arbeit auszuführen.
Der Fall sorgt schon seit Jahren für Schlagzeilen. Lagarde war in der Angelegenheit mehrfach von Korruptionsermittlern vernommen worden, im August 2014 wurde ein Anklageverfahren gegen sie eingeleitet. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu ein Jahr Gefängnis und 15.000 Euro Strafe.
Im Dezember hatte die Untersuchungskommission des Gerichtshofs der Republik entschieden, Lagarde vor Gericht zu bringen. Die Entscheidung kam damals überraschend: Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor die Einstellung des Verfahrens beantragt. Lagarde ging umgehend in Revision, ohne Erfolg. Grundlage für die Entscheidung des Kassationsgerichts war nur die Frage, ob die Begründung für die Entscheidung der Untersuchungskommission ausreicht.
Der Gerichtshof der Republik ist ein spezielles Gericht, das für Gesetzesverstöße französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig ist. Wann der Prozess beginnen könnte, ist noch unklar.
Anfang Dezember hatte ein Berufungsgericht Tapie verurteilt, die auf den Schiedsspruch zurückgehende Entschädigung zurückzuzahlen. Diese Entscheidung wurde vor Kurzem auch vom Kassationsgericht bestätigt.