IWF Die schwierige Suche der Europäer nach einem Lagarde-Nachfolger

Jeroen Dijsselbloem gilt als Favorit für den Chefposten des IWF. Quelle: REUTERS

Europa will weiterhin den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds besetzen. Doch in Südeuropa regt sich Widerstand gegen den Favoriten Jeroen Dijsselbloem.

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Seit seiner Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Internationale Währungsfonds (IWF) ausnahmslos von Europäern geleitet. Das soll auch so bleiben zumindest, wenn es nach den Europäern geht. „Es ist ein europäischer Anspruch, wieder den Präsidenten des IWF zu benennen“, sagt etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch die Europäer tun sich schwer, einen Kandidaten zu benennen. Bis zum Monatsende wollen sie einen Nachfolger für Christine Lagarde präsentieren, die an die Spitze der Europäischen Zentralbank wechselt. Die Personalsuche erweist sich als komplex, weil die Südeuropäer gegen den Favoriten Jeroen Dijsselbloem mauern.

Auch die Gespräche am Rande des Finanzministertreffens der G7 in Chantilly bei Paris am Donnerstag brachte keinen Durchbruch. Hinter den Kulissen wird ordentlich Lobbyarbeit betrieben, nicht alle spielten dabei mit offenen Karten, heißt es von Diplomaten. Der Vorwurf richtet sich gegen die französische Regierung, die für den früheren Eurogruppenchef Dijsselbloem bereits in Washington bei den IWF-Mitgliedsstaaten geworben hat – nun aber offenbar auf die Bulgarin Kristalina Georgieva umgeschwungen ist.

Die Bundesregierung könnte mit Dijsselbloem sehr gut leben. Wolfgang Schäuble hatte als Finanzminister dafür gesorgt, dass sein unerfahrener niederländischer Kollege im Januar 2013 Eurogruppenchef wurde. Nach anfänglichen Patzern managte der Sozialdemokrat die Eurokrise hochprofessionell. Mit seiner ruhigen Art und seiner Bereitschaft zuzuhören, erwarb sich Dijsselbloem nicht nur im EU-Apparat, sondern auch in den EU-Hauptstädten großes Ansehen.

von Karin Finkenzeller, Malte Fischer, Julian Heißler, Stefan Reccius, Christof Schürmann, Silke Wettach

Viele halten Dijsselbloem für geeignet, das Amt beim IWF auszufüllen. Allerdings sind nicht alle in der EU begeistert von der Personalie: Griechenland und Italien sehen in ihm einen Vertreter der ungeliebten Austeritätspolitik. Bis heute hängt ihm zudem eine Äußerung nach, die aus dem Zusammenhang gerissen wurde. 2017 unterstrich Dijsselbloem in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Bedeutung, die er als Sozialdemokrat der Solidarität einräume: „Wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.“ Kritiker, gerade in Südeuropa, warfen ihm vor, er unterstellte den Programmländern flächendeckend einen ausschweifenden Lebensstil.

Frankreich macht sich Diplomaten zufolge nun zum Fürsprecher Südeuropas, das mit dem Portugiesen Mário Centeno und der Spanierin Nadia Calviño zwei eigene Kandidaten ins Rennen geschickt hat. Keiner von beiden hat gute Chancen: Centeno gilt als unfähig, Spanien hat mit dem EU-Außenbeauftragten gerade erst einen Topjob bekommen.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire bietet sich als neutraler Vermittler an, wobei Diplomaten an seiner Neutralität zweifeln. Sie befürchten, dass er den Norden gegen den Süden ausspielen wird und dann die Bulgarin Georgieva als Kompromisskandidatin installieren will. Osteuropa ist bei der jüngsten Postenvergabe in Brüssel völlig leer ausgegangen, was ein Motiv sein könnte, den Job nun an Georgieva, bisher Nummer zwei bei der Weltbank, zu vergeben. Die frühere Vize-Präsidentin der EU-Kommission gilt als kompetent, viele westeuropäische Regierungen haben jedoch ein Problem mit ihrem Herkunftsland, das wegen Defiziten in der Justiz und der Korruptionsbekämpfung unter spezieller Beobachtung der EU-Kommission steht.

Am Schluss könnte ein Außenseiter zum Zug kommen, etwa der finnische Notenbankgouverneur Olli Rehn, der sich auch Chancen auf den Topjob bei der EZB ausgerechnet hatte. Nordeuropa war im jüngsten Brüssel Personalpaket ebenfalls übergangen worden.

Aus dem Rennen ist bisher nur Mark Carney, der Kanadier mit dem irischen Pass, den die britische Regierung vor dem Brexit installieren wollte. In einigen Hauptstädten hatte dies für Verärgerung gesorgt. Der Chef der britischen Notenbankchef erwägt nun offenbar eine Karriere in der kanadischen Politik.

Für die Europäer beginnt die Zeit zu drängen. Wenn sie keinen überzeugenden Kandidaten präsentieren können, wächst das Risiko, dass sie den Posten nicht besetzen können.

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