




Um Griechenlands Kreditschulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu bezahlen, fordert die Regierung in Athen nun die Geldreserven staatlicher Betriebe an. Dabei geht es um die allerletzten Reserven sowie Restbeträge auf verschiedenen Konten, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Finanzministeriums erfuhr. Ein Mitarbeiter einer griechischen Bank sagte: „Es geht sogar um Beträge unter 100 Euro, die staatliche Unternehmen irgendwo vergessen haben.“
Öffentlich-rechtliche Unternehmen sowie Institutionen sollten das Geld an die Zentralbank überweisen, berichtete der staatliche Rundfunk. Es gehe um mehr als 1000 Einrichtungen, darunter Museen, archäologische Stätten und auch TÜV-Stellen. Plänen von Finanzminister Gianis Varoufakis zufolge will das pleitebedrohte Land zudem Inhaber von Schwarzgeldkonten mit einem Straferlass locken. Er brachte auch ins Gespräch, Besitzer von umweltfreundlichen Autos der jüngsten Technologie, die bislang von der Steuer ausgenommen waren, zur Kasse zu bitten.
Die Reformliste der Griechen
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will die Regierungskoalition in Athen mit einem Mix aus Steuererhöhungen, Privatisierungen und Rückzahlungen von Steuersündern Geld in die leeren Staatskassen spülen. Die internationalen Geldgeber haben die Umsetzung konkreter Reformen zur Bedingung für die Auszahlung ausstehender Hilfsgelder gemacht.
Zu den Plänen der griechischen Regierung gehört auch eine Rentenreform. Wichtigste Maßnahme: Arbeitnehmer sollen künftig erst im Alter von 67 Jahren in Rente gehen können. Eine Rente mit 62 Jahren soll es nur für jene geben, die mindestens 40 Jahre lang gearbeitet haben. Dieses Vorhaben gilt als besonders heikel, weil es zu den zentralen Wahlversprechen des Linksbündnisses zählte, dass die Renten nicht angetastet werden sollen.
Zudem wollen die Steuerbehörden in den kommenden Tagen alle Griechen, die Schwarzgeld ins Ausland überwiesen haben, aufrufen, sich beim Finanzamt zu melden. „Wir wissen, wer sie sind, und geben ihnen eine letzte Chance, sich zu retten“, sagte ein hoher Beamter im Finanzministerium der Deutschen Presse-Agentur. In Athen liegen bereits die Listen Tausender Griechen vor, die in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 100.000 Euro ins Ausland überwiesen haben.
In Athen liegen bereits die Listen Tausender Griechen vor, die in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 100 000 Euro ins Ausland überwiesen haben. Bereits in der Nacht zum Samstag hatte das griechische Parlament erhebliche Erleichterungen für Personen und Unternehmen beschlossen, die mit ihren Steuern und Zahlungen an Sozialkassen im Rückstand sind. Steuerzahlern, die noch im März ihre Schulden begleichen, werden Bußgelder und Verzugszinsen erlassen. Auch sind zeitlich gestreckte Ratenzahlungen möglich.
Athen hofft darauf, auf diese Weise bis zu 8,9 Milliarden Euro in die Kassen zu spülen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen bereits mehr als 100.000 Steuerzahler elektronisch bei den Steuerbehörden angemeldet haben, dass sie von dem neuen Gesetz Gebrauch machen wollen. Die tatsächlichen Außenstände sind allerdings viel höher: Laut Finanzministerium schulden rund 3,7 Millionen Griechen und 447.000 Unternehmen dem Staat etwa 76 Milliarden Euro.
Darüber hinaus will Athen die Mehrwertsteuer für Touristeninseln in der Ägäis erhöhen - wie beispielsweise Mykonos und Santorin. Diese Pläne will Finanzminister Varoufakis aber offenbar doch nicht umsetzen. Auch für Hotels sollte die Mehrwertsteuer angehoben werden, ebenso wie die Steuern auf Tabakwaren und Alkohol. Unklar ist noch, wie die Regierung ihr Versprechen erfüllen will, die Reichen zur Kasse zu bitten.
Im Juni muss Athen insgesamt 1,55 Milliarden Euro Tilgungsraten an den IWF überweisen. Allerdings drohte der Fraktionschef der linken Regierungspartei Syriza, Nikos Filis, Griechenland werde die Tranchen nicht begleichen, wenn es zuvor keine Lösung mit den Gläubigern gebe. Das Geld sei derzeit nicht vorhanden, sagte Filis am späten Montagabend im Fernsehsender Star. Ähnlich äußerte sich Varoufakis. Indes hatte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis zuvor klargestellt, das Land werde alle Verpflichtungen erfüllen. Dafür gab es Lob aus Berlin.
Es spreche einiges dafür, dass Anfang Juni kein Zahlungsausfall Griechenlands drohe, verlautete aus Regierungskreisen. Falls es stimme, dass die griechische Regierung die erste Rate von gut 300 Millionen Euro am 5. Juni zurückzahlen wolle, sei dies ein „erneut positives Signal“. Das sei „deshalb ermutigend, weil das bedeutet, dass Griechenland es verstanden hat: Ohne IWF geht es nicht.“ Derzeit ringt die griechische Regierung mit den Geldgebern um Reformzusagen, die von Athen erfüllt werden müssen, um blockierte Milliarden-Hilfskredite in Höhe von 7,2 Milliarden Euro zu erhalten.
Griechenlands Verflechtungen mit Russland
Viele Griechen und Russen sind Patrioten und stolz auf die Geschichte und den kulturellen Reichtum ihres Landes. Jetzt haben sie den Eindruck, dass ihnen einige westliche Politiker und viele Medien wegen des Handelns ihrer Regierungen negativ gegenüberstehen.
Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern und auch Deutschland kritisiert die griechische Regierung die westlichen Sanktionen gegen Russland. Das kommt gut an im Kreml, wo man sich im Gegenzug mit Kommentaren über den maroden griechischen Haushalt zurückhält. Griechenland steht in einigen internationalen politischen Fragen Seite an Seite mit Moskau: Zum Beispiel hat Athen genau wie Moskau niemals die Unabhängigkeit der Republik Kosovo anerkannt – im Gegensatz zu 109 Staaten der Vereinten Nationen.
Ungefähr 190.000 ethnische Griechen und Pontosgriechen leben in Russland, etwa an der russischen Schwarzmeerküste und in der Region Stawropol im Nordkaukasus.
In Griechenland leben rund 300.000 russische Staatsbürger. Griechenland ist bei Russen als Urlaubsland sehr beliebt, im vergangenen Jahr kamen mehr als eine Million russische Touristen nach Griechenland. Die Zahl ist jedoch im Vergleich zu den Vorjahren gesunken, weil der Urlaub im Ausland für viele Russen wegen des schwachen Rubel zu teuer geworden ist.
Drei von vier Russen bekennen sich zum orthodoxen Glauben, in Griechenland beträgt der Anteil der orthodoxen Christen mehr als 90 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ist jedoch Atheist: Bei der Amtseinführung verzichtete er als erster Ministerpräsident in der griechischen Geschichte auf die religiöse Eidesformel.
Russland ist Griechenlands wichtigster Handelspartner. 2013 betrug das Handelsvolumen rund 9,3 Milliarden Euro. 11 Prozent seiner Importe bezieht Griechenland aus Russland. Mehr als 60 Prozent seines Flüssiggases bekommt Griechenland von dem russischen Staatskonzern Gazprom. Auch im Finanzsektor gibt es enge Verbindungen. So halten russische Aktionäre große Anteile an der auch für Griechenland wichtigen "Bank of Cyprus“.
Griechenland ist von den russischen Lebensmittelsanktionen besonders betroffen, weil Russland bis August 2014 mehr als 40 Prozent der griechischen Agrarexporte empfing. 2013 hat Griechenland Früchte und Konserven im Wert von 178 Millionen Euro nach Russland ausgeführt. Griechische Pfirsiche und Erdbeeren waren in Russland besonders beliebt: Bis zu der Einführung des Lebensmittelboykotts kam fast jeder vierte Pfirsich und 40 Prozent der Erdbeeren auf dem russischen Importmarkt aus Griechenland.
Varoufakis betonte vor Journalisten, wer sein Schwarzgeld noch anmelde, könne es zum Teil retten. Geld von Auslandskonten soll demnach einmalig mit 15 Prozent und von Inlandskonten mit 30 Prozent besteuert werden. Den Vorschlag, eine Gebühr auf Abhebungen von Geldautomaten zu erheben, zog das Finanzministerium schon nach kürzester Zeit hingegen wieder zurück. Angesichts der akuten Finanzkrise Griechenlands warnte der Chef des Europäischen Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, vor einer möglichen Staatspleite. „Die Zeit wird knapp“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Dienstag).
Ohne Einigung mit den Geldgebern könne sich Athen kein neues Kapital leihen. „Dann droht eine Staatspleite.“ Regling betonte, der Rettungsschirm sei durchaus in der Lage, Griechenland weitere Milliarden-Hilfen auszuzahlen. Allerdings müsse sich Athen mit den Gläubigern auf eine verbindliche Reformliste einigen. Die Eurostaaten wollen an diesem Donnerstag auf Ebene der Finanz-Staatssekretäre über Fortschritte bei den Verhandlungen beraten. Vor der Telefonkonferenz spielten EU-Diplomaten die Erwartungen herunter. Eine Einigung über ein Reformpaket in Griechenland sei bisher nicht in unmittelbarer Reichweite.