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Jean-Claude Juncker "Es fehlt an Europa in dieser EU"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeichnet in seiner ersten Rede zur Lage der Europäischen Union ein düsteres Bild. Zu Recht.

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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker:

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei seiner ersten Rede zur Lage der Union im Europäischen Parlament in Straßburg hoffnungslos überzogen. Nach einer Stunde war er ungefähr in der Mitte seiner Rede und handelte die verbleibenden Punkte im Eilverfahren ab.

Im Moment gebe es über Europa schlicht zu viel zu sagen, so Juncker. „Die Europäische Union befindet sich in keinem guten Zustand“, sagte er und unterstrich: „Es macht keinen Sinn, dass die EU-Kommission auf Schönfärberei macht.“

Erwartungsgemäß legte Juncker in seiner zeitweise emotionalen Rede den Schwerpunkt auf die Flüchtlingspolitik. Anders als sein Vorgänger José Manuel Barroso, der meist wenig Abgeordnete anlockte, sprach Juncker vor einem vollen Haus. Den ersten Applaus bekam er nach wenigen Minuten, als er ankündigte: „Dies ist nicht die Zeit des Business as usual.“

Juncker kündigte konkrete Teile einer neuen Flüchtlingspolitik an, die die Innenminister der EU am kommenden Montag beschließen sollen. 120.000 Flüchtlinge, die sich derzeit in Italien, Griechenland und Ungarn befinden, sollen auf die gesamte EU verteilt werden – und zwar nicht auf freiwilliger Basis, wie das bei bisher 40.000 Flüchtlingen versucht worden war: „Dies muss zur Pflicht werden.“

Konzentration auf die, die Schutz benötigen

Juncker kündigte auch an, dass die EU eine gemeinsame Liste von sicheren Herkunftsländern erstellen will, so dass die Mitgliedsstaaten sich auf jene Flüchtlinge konzentrieren können, die tatsächlich Schutz benötigen.

Für Juncker ist das aktuelle Versagen in der Flüchtlingskrise nur ein Beispiel dafür, dass es zu wenig gemeinsame Politik in Europa gibt: „Es fehlt an Europa in dieser EU, es fehlt an Union in dieser EU.“ Am kommenden Montag wird sich herausstellen, ob die EU-Mitgliedsstaaten, die Juncker immer wieder kritisierte, tatsächlich bereit sind zu mehr europäischer Politik.

Allein um die Liste der sicheren Herkunftsländer droht Streit. Die 28 Mitgliedsländer sind sich bei weitem nicht einig, ob etwa die Türkei auf dieser Liste auftauchen soll und wie die Länder des westlichen Balkans einzustufen sind. Juncker will alle EU-Beitrittskandidaten und –Aspiranten auf die Liste setzen.

Eine echte europäische Asylpolitik würde eine Quote für die Verteilung von Flüchtlingen bedeuten, wie sie die Bundesregierung, aber auch Frankreich und Italien befürworten. Juncker hat das Instrument, das bisher von den osteuropäischen Staaten vehement abgelehnt wird, explizit nicht erwähnt.

Er hat allerdings Länder wie Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen darauf hingewiesen, dass ihre Staatsbürger in der Vergangenheit in anderen europäischen Ländern willkommen waren, wenn sie vor Verfolgung flohen.

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