
Die Europäische Union und Japan haben sich grundsätzlich auf ein umfassendes Freihandelsabkommen und eine engere Partnerschaft geeinigt. Dies ist das Ergebnis eines Gipfeltreffens von Ministerpräsident Shinzo Abe mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Brüssel.
„Wir haben es geschafft“, sagte Tusk nach Gesprächen mit Abe. Die Handelsgespräche zwischen der EU und Japan seien gelungen. Dies zeige, dass Europa sich immer mehr global engagiere. Juncker sagte, man sei sich „im Prinzip“ bei dem Handelspakt einig geworden. Das setze Standards auch für andere. Sich abzuschotten, sei weder für die Weltwirtschaft, noch für Unternehmen noch für Arbeitnehmer gut, sagte er. Protektionismus schütze nicht wirklich.
Der seit 2013 vorbereitete Freihandelspakt zwischen den beiden mächtigen Wirtschaftsräumen soll Zölle und andere Handelshemmnisse abbauen, um Wachstum und neue Jobs zu schaffen. Allerdings ist der äußerst komplizierte Vertrag noch nicht vollständig ausverhandelt. Das dürfte nach Einschätzung von EU-Beamten noch Monate dauern. Mit der Grundsatzeinigung wollten beide Seiten kurz vor dem G20-Gipfel vor allem ein politisches Signal gegen Protektionismus setzen.
Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit ein äußerst interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen. An der Wirtschaftskraft gemessen würde durch das Abkommen die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Kritiker des Pakts fürchten allerdings um europäische Standards. Umweltschützer bemängeln auch, dass der umstrittene japanische Walfang und möglicher Holzschmuggel nicht ausdrücklich geregelt werden.
Die EU hat die Veröffentlichung der bisherigen Verhandlungsergebnisse angekündigt. Japan hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur akzeptiert, dass der europäische Zoll auf japanische Autos von derzeit zehn Prozent erst sieben Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens komplett abgebaut sein wird. Die Regierung in Tokio soll im Gegenzug zum Beispiel Schutzklauseln für japanische Bauern ausgehandelt haben.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht in dem Abkommen großes Potenzial. „Ein ausgewogenes und umfangreiches Abkommen, das europäische Schutzstandards sichert und mittelstandsfreundlich ausgestaltet ist, wäre für beide Seiten vorteilhaft“, betonte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Das deutsche Handelsvolumen mit Japan von derzeit 40 Milliarden Euro biete „noch deutlich Luft nach oben“.
Jefta: Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick
Beide Seiten wollen vor dem G20-Gipfel an diesem Freitag und Samstag ein Zeichen für freien Handel setzen. Zu dem Treffen in Hamburg wird auch US-Präsident Donald Trump erwartet, dessen Politik als protektionistisch wahrgenommenen wird. Ihm soll gezeigt werden, dass er sein Land isoliert und der US-Wirtschaft schadet, wenn er auf Protektionismus setzt. Wirtschaftlich gesehen würde durch das EU-Japan-Abkommen die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Zusammen erwirtschafteten die EU-Staaten und Japan zuletzt mehr als ein Drittel des globalen Bruttoinlandsprodukts.
Quelle: dpa
Im Endeffekt geht es um Wohlstand und Jobs. Über einen besseren Zugang zum japanischen Markt sollen europäische Unternehmen neue Wachstumsmöglichkeiten bekommen. Wichtig für die Industrie ist es zum Beispiel, dass sie ihre Produkte ohne zusätzliche Prüfungen, Zertifizierungen oder Kennzeichnungen in Japan verkaufen kann. Europäische Landwirte sollen von einem weitreichenden Abbau von Zöllen auf Agrarprodukte profitieren.
Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. In dem Land lebten zuletzt rund 127 Millionen Menschen. Die Europäische Union erwartet, dass allein der Export von verarbeiteten Nahrungsmitteln von der EU in Richtung Japan um bis zu 180 Prozent steigen könnte. Dies würde einem zusätzlichen Umsatz in Höhe von 10 Milliarden Euro entsprechen.
Was für die EU gilt, gilt auch für Japan. Die EU-Staaten sind ein wichtiger Absatzmarkt für japanische Unternehmen. Japan ist vor allem an raschen Zollsenkungen für Industriegüter - insbesondere Autos - interessiert. Auf japanische Personenfahrzeuge wird in der EU derzeit eine Abgabe in Höhe von 10 Prozent erhoben. Sie soll innerhalb einer Übergangsfrist von sieben Jahren wegfallen. Für den japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe ist das Abkommen zudem politisch wichtig. Er hatte bislang vor allem auf die mit den USA und zehn anderen Ländern geplante transpazifische Freihandelszone (TPP) gesetzt. US-Präsident Trump kündigte allerdings im Januar an, das bereits ausgehandelte Projekt platzen zu lassen.
Sie befürchten, dass über Jefta - so die inoffizielle Abkürzung für das Abkommen - europäische Standards im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes ausgehebelt werden könnten. Zudem warnen sie vor negativen Auswirkungen auf Entwicklungsländer, die unter dem verstärkten Wettbewerb in der neuen Freihandelszone leiden könnten.
Die EU-Kommission, die auf EU-Seite für die Verhandlungen zuständig ist, sagt Nein. „EU-Standards in Bereichen wie Umwelt- und Verbraucherschutz stehen nicht zur Disposition“, heißt aus der Brüsseler Behörde. Mit Blick auf die Entwicklungsländer wird darauf gesetzt, dass es über ein stärkeres Wirtschaftswachstum in der EU und Japan auch zu einer stärkere Nachfrage nach Produkten aus Entwicklungsländern kommt.
Zu der Frage wollten sich EU-Vertreter bis zuletzt nicht äußern. Theoretisch wird es für denkbar gehalten, dass die Verhandlungen bis Ende des Jahres beendet werden können. Versprechen will dies aber niemand. Ein noch offener Punkt ist zum Beispiel die Frage, vor welchen Gerichten Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten geklärt werden sollen. Die EU hat angekündigt, dass die früher üblichen, aber als intransparent kritisierten Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr akzeptiert werden sollen. Stattdessen soll es einen neuen Investitionsgerichtshof mit öffentlich bestellten Richtern und einer Berufungsinstanz geben. Dies lehnt Japan bislang aber ab.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter befürchtet dagegen, dass Billig-Agrarimporte aus der EU die regionale Landwirtschaft in Japan zerstören könnten. Das Abkommen stehe „für Geheimverhandlungen, Paralleljustiz für Großkonzerne und eine Aushöhlung von Umwelt- und Verbraucherstandards“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Donnerstag).
Ursprünglich wollte Japan zusammen mit den USA und zehn weiteren Ländern die transpazifischen Freihandelszone TPP gründen. US-Präsident Trump verwarf TPP allerdings kurz nach seinem Amtsantritt im Januar. Danach beschleunigte die EU ihre Verhandlungen mit Tokio.