Die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat grundsätzliches Einverständnis signalisiert, und im Arbeitsministerium fordert ihre Parteikollegin Andrea Nahles ohnehin schon seit Monaten eine Sozialagenda für Europa, „die den sozialen Zusammenhalt in den Mittelpunkt rückt“. Solange die EU keinen Druck ausübt, um die vergleichsweise hohen deutschen Standards drücken zu wollen, dürfte also wenigstens vom SPD-Teil der Bundesregierung kein Widerstand zu erwarten sein.
Auch bei anderen Sozialdemokraten in Europa kann Juncker auf Zustimmung hoffen. „Der Erfolg der EU hängt davon ab, ob wir die soziale Säule umsetzen wer-den“, sagt Joseph Muscat, als maltesischer Premier gerade EU-Ratsvorsitzender. Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven lädt im November sogar eigens die europäischen Staats- und Regierungschefs zum Sondergipfel nach Stockholm ein, damit sie das Projekt auf oberster Ebene absegnen. Juncker will, dass aus der Säule eine ganze Sozialcharta erwächst, die bei der nächsten Vertragsänderung als Blaupause dienen kann.
Kritiker der Pläne sehen sich in die Ecke gedrängt. „Man muss sich dann fragen lassen, ob man für ein unsoziales Europa ist“, klagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Die EU ist ohnehin schon sehr weit in die national dominierte Sozialpolitik vorgedrungen, sodass die Arbeitsaufteilung zwischen Mitgliedstaaten und Brüssel immer mehr verschwimmt. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände zählt ganze 57 EU-Richtlinien, vier Verordnungen und zwei Vorschläge für neue Richtlinien im Bereich Soziales.
Überblick: Langzeitarbeitslose in der EU
Deutschland ist mit einer Quote von 1,9 Prozent Langzeitarbeitslosen gut aufgestellt. Noch besser ist die Lage nur in Österreich, Dänemark, Luxemburg, Schweden und dem Vereinigten Königreich.
Stand: Juni 2016, Quelle: Bertelsmann
Den Euro-Rettungsschirm hat Portugal nach drei Jahren mit Hilfszahlungen wieder verlassen. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist mit 6,9 Prozent aber weiterhin ein großes Problem.
Nicht nur im Süden der EU ist die Lage brenzlig. In der Slowakei liegt die Langzeitarbeitslosenquote bei 7,6 Prozent.
Kroatien ist erst seit 2013 Mitglied der EU, gehört in Sachen Langzeitarbeitslosigkeit zu den Sorgenkindern. 10,4 Prozent waren im Jahr 2015 dauerhaft ohne Job.
Auf Platz 2 ebenfalls ein südeuropäisches Land. In Spanien sind 10,8 Prozent der Erwerbsfähigen langzeitarbeitslos.
17,7 Prozent der Erwerbsbevölkerung in Griechenland sind laut einer Studie der Bertelsmann-Studie langzeitarbeitslos. Im EU-weiten Vergleich liegt das Land damit auf Platz 1.
Dabei war die EU bislang nie sonderlich erfolgreich, wenn sie sich an dem Thema versuchte. Egal, ob mit den Strukturfonds oder Ideen wie der Jugendgarantie für Ausbildungs- und Arbeitsplätze: Brüssel kündigte gerne Großes an und erreichte wenig. Gerade erst bemängelte der Europäische Rechnungshof die vor einigen Jahren noch hoch gehandelte Jugendgarantie.
„Sozial ist, was Jobs bringt“, sagt Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Und was diese Arbeitsplätze bringen würden, wüsste er auch: „Ich würde lieber einen Vorschlag der Kommission sehen, wie Vorschriften abgeschafft werden, die kleine und große Betriebe ausbremsen.“