
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf Auslandsreisen reich beschenkt. Mal gibt es ein Fußballtrikot, mal einen Dolch, mal Porzellan. Griechenland hat sich kurz vor dem Besuch der CDU-Politikerin am Freitag in Athen etwas Besonderes ausgedacht: Das Land kehrt an die Kapitalmärkte zurück. Vier Jahre nachdem das Euro-Krisenland das Vertrauen der Gläubiger verlor und unter den Rettungsschirm flüchten musste, gibt Griechenland Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren aus. Zwei Milliarden Euro sollen nach übereinstimmenden Medienberichte so aus dem Ausland eingesammelt werden.
Die Rückkehr an die Kapitalmärkte ist ein Zeichen der Stärke. Griechenland will beweisen, dass die vermeintliche Rückkehr zur Normalität von den Gläubigern getragen wird. Die Hoffnung auf Besserung, sie soll nicht mehr nur propagiert werden, sondern mit Tatsachen unterfüttert werden. Angela Merkel kommt die Nachricht, sechs Wochen vor der Europawahl gelegen. Schließlich stützt sie das deutsche Mantra, in der Euro-Krise sei das Schlimmste überstanden. Deutsches Geld sei nicht verpulvert worden. Keine Überraschung also, dass das Bundesfinanzministerium die Pläne der griechischen Regierung schon vorab begrüßte. „Das ist letztendlich ein Beleg dafür, dass das Programm erfolgreich verläuft und dass das Vertrauen der Finanzmärkte zurückkehrt“, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin kurz nachdem erste Gerüchte über die griechische Bondsplatzierung aufgekommen sind.
Auch Gustav Horn, der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, bewertet den Schritt Griechenlands zurück an die Märkte per se positiv: „Das ist ein ermutigendes Zeichen. Es macht deutlich, dass es offenbar genügend Vertrauen in Griechenland und in das Euro-System gibt“, so Horn im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Doch der Ökonom schränkt ein, dass die Aktion nicht überbewertet werden dürfe. „Griechenland ist längst noch nicht auf dem grünen Zweig. Die wirtschaftliche Situation ist verheerend.“
So schlug sich Griechenland 2013
Zuletzt konnte die Regierung von Präsident Samaras einen weiteren Sparhaushalt verabschieden. Eine eigene Mehrheit hat die Regierung im Parlament aber nicht mehr. Da die Opposition in sich völlig gespalten ist, droht dennoch keine unmittelbare Entmachtung. Öffentliche Proteste sind seltener geworden.
Note: 4
Wichtige Punkte sind weiter ungelöst: Die Öffnung der geschlossenen Berufe kommt nicht voran, die Privatisierung stockt. Hier und da gibt es aber kleine Erfolge, etwa beim Verkauf des Athener Flughafens
Note: 4
Erstmals wird ein Primärüberschuss erzielt. Der geht aber größtenteils auf das Konto der Staatsanleihekäufe durch die EZB. Dennoch ist das mehr, als die meisten Beobachter noch vor wenigen Monaten erwartet hätten.
Note: 3
Griechenland bleibt ein Euro-Sorgenkind. Doch es werden Fortschritte sichtbar, auch wenn das Land weiter voll und ganz von der Gnade der anderen Euro-Länder abhängt.
Note: 4+
Das belegt auch ein Blick auf die Zahlen. Demnach ist Griechenland im Vergleich zu 2011 kaum vorangekommen. Die Arbeitslosigkeit (27 Prozent) ist höher denn je, der Schuldenschnitt von 2012 ist bereits verpufft. Private Gläubiger wurden 2012 genötigt, auf rund 100 Milliarden zu verzichten, die Staatsverschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts sank von rund 170 Prozent auf 156,9 Prozent. Doch der Trend hielt nicht an. Ende 2013 stand das Land schon wieder mit dem einem Rekordminus da (177,3 Prozent). Das liegt freilich auch daran, dass die Wirtschaftsleistung (also das BIP, die Referenzgröße) gesunken ist. Inzwischen erwirtschaftet Griechenland nur noch 181,7 Milliarden Euro im Jahr – rund 50 Milliarden Euro weniger als vor dem Ausbruch der Schuldenkrise.
Weitere Unterstützungen sind nötig





Dennoch verlangen die Gläubiger für die neu herausgegebenen Anleihen wahrscheinlich nur eine Rendite von sechs bis 6,5 Prozent. Im Frühjahr 2010 wurde teilweise der doppelte Preis aufgerufen (13 Prozent). Was also treibt die Investoren? Sind sie schlicht optimistischer, dass Griechenlands Rettung Fahrt aufnimmt, als der Durchschnittsbürger und die Medien?
Gustav Horn glaubt, dass die Investoren nicht per se optimistischer seien. Sie würden vielmehr spekulieren, dass nicht sie bei einem neuerlichen Einknicken Griechenlands zahlen müssen, sondern dass die Europäische Zentralbank einspringt. „Es war ja niemals so, dass nur Griechenland unter einer Vertrauenskrise litt, sondern der gesamte Euro-Raum. Es gab Zweifel an der Bereitschaft der Mitgliedsländer, Einzelne nicht im Regen stehen zu lassen“, bemängelt Horn. Dies sei nun offenbar anders. „Schon allein die Ankündigung der Zentralbank, im Zweifelsfall Staatsanleihen aufzukaufen, schafft Sicherheit.“
Darauf hoffen auch die Griechen, die betonen, dass man weit davon entfernt sei, sich wieder alleine finanzieren zu können. Der Weg sei noch lang, betont Finanzminister Ioannis Stournaras. Die Reformen müssten fortgesetzt werden, um Wachstum zu schaffen. Wenn alles nach Plan laufe, benötige Griechenland kein neues Geld aus weiteren Hilfspaketen von internationalen Geldgebern. Das heißt aber nicht, dass jedwede Unterstützung vom Tisch ist. Im Gegenteil.
Stournaras rechnet fest mit weiteren Schuldenerleichterungen, die von den Euro-Finanzministern bereits im November 2012 in Aussicht gestellt wurden. Dazu zählten längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen für bereits ausgezahlte Hilfskredite der Euro-Staaten. Es ist ein Schuldenschnitt light, schließlich kommen die Gläubiger Athen entgegen und verzichten auf Geld.
Ein weiteres Indiz stürzt die These, dass Griechenland längst nicht so weit ist, wie es selbst behauptet. Beim Hauptargument für den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes wird dieser Tage oft der primäre Haushaltsüberschuss angeführt, der angeblich 2013 erreicht worden sein. Eine Kennziffer, die sicher auch auf die Investoren Eindruck macht. Heißt es doch, dass der Trend neue Schulden aufzunehmen, gestoppt ist. Einnahmen und Ausgaben des Staates halten sich demnach die Waage bzw. die Einnahmen übersteigen gar die Ausgaben – wie der „Überschuss“ zu glauben macht. Das Problem: Erstens werden die Zinskosten dabei nicht berücksichtigt, obwohl diese natürlich weiter akut sind und gezahlt werden müssen.
Viel wichtiger aber: Es mehren sich die Zweifel, ob Griechenland nicht getrickst hat, um einen vermeintlichen Überschuss zu erzielen. So rätseln Ökonomen, wie es sein kann, dass Griechenland bis September 2013 ein Defizit von fast 13 Milliarden Euro angehäuft hat – dieses aber im vierten Quartal plötzlich ausgeglichen werden konnte. Schoss die Wirtschaft so nach oben, sprudelten plötzlich die Steuereinnahme wie lange nicht? Wohl kaum.
Schuldenlast nicht weiter erhöhen





Eher hat die Regierung, so mutmaßen Kritiker, zum Jahresende hin, zahlreiche Ausgaben gestoppt. Den wenig überzeugenden Einnahmen standen so immerhin sinkende Kosten gegenüber – unterm Strich bleibt ein Primärüberschuss. Die fälligen Verpflichtungen sei man dann Anfang 2014 nachgekommen.
"Außerdem gab es viele Einmaleffekte - neben den Kürzungen von Investitionen etwa auch die Einnahmen durch Privatisierungen -, die zum Überschuss beigetragen haben", sagt auch der ehemalige griechische Finanzminister Nicos Christodoulakis auf Nachfrage von WirtschaftsWoche Online. "Diese Maßnahmen können nicht fortgeführt werden und trüben daher das vermeintliche gute Resultat." Wichtig sei nun, nachhaltig Wachstum und Jobs zu schaffen - ansonsten käme die Krise schnell zurück.
So gesehen kommt Griechenland mit einer geschätzten Rendite von „nur“ 6,5 Prozent mutmaßlich gut davon. Dennoch ist der Preis hoch, findet Gustav Horn. „Die Summe ist bei Weitem nicht gut finanzierbar. Der Prozentsatz darf auf Dauer nicht so hoch bleiben“, sagt der IMK-Direktor.
Europa
Auch der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM hat Griechenland davor gewarnt, bei einer Rückkehr an den Finanzmarkt zu viel für frisches Kapital zu zahlen. „Es sei natürlich, dass Griechenland nunmehr die Märkte testen wolle“, sagte Klaus Regling gegenüber der Wochenzeitung „To Vima“. Es sollte den Investoren aber keine zu hohe Rendite zahlen, um seine Schuldenlast nicht weiter zu erhöhen. Griechische Schulden seien nach wie vor teuer, sagte Regling. Jede neue Anleihe mit derartig hohen Renditen erhöhe die Schuldenlast des Landes deutlich. Zum Vergleich: Über 130 Milliarden Euro hat der Rettungsfonds bisher an die griechische Regierung überwiesen, der durchschnittliche Zinssatz liegt dort bei 1,5 Prozent. Griechenlands Rückkehr an die Kapitalmärkte ist somit riskant und teuer.
Kritik wird von Angela Merkel am Freitag wohl dennoch nicht zu hören sein. Die Kanzlerin wird die Griechen bei ihrem Staatsbesuch für die Reformen und den Mut, den Schritt an die Kapitalmärkte zu wagen, loben. Alles andere wäre ja auch unfreundlich bei dem netten Gastgeschenk, dass ihr die Griechen gemacht haben.
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