Karlsruher Urteil Öko-Offensive per Gerichtsentscheid

Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter. Quelle: imago images

Beim Klimaschutz verschiebt das Bundesverfassungsgericht die Gewichte: Die Jüngeren werden ungerechtfertigt in ihrer Freiheit beschnitten, urteilt es – durch zu laxe Ziele des Staates. Das ändert alles.

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Dieses Urteil verschiebt einiges im Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat. Es stärkt die Rechte Einzelner, die den Schutz ihrer Lebensgrundlagen einfordern und es beschränkt die Möglichkeiten des Staates bei seinen Vorgaben und Gesetzen. Und das bei einem Thema, dem Klimawandel oder der Klimakrise, das vor wenigen Jahren von Regierungsparteien noch grundsätzlich in seiner Dringlichkeit angezweifelt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag entschieden, dass das Klimaschutzgesetz der schwarz-roten Bundesregierung von Ende 2019 zu kurz greift. Die RichterInnen verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende 2022 konkretere und damit schärfere Minderungsziele für Treibhausgase für die Zeit nach 2030 vorzugeben. Mehrere Verfassungsbeschwerden, auch mit Jüngeren als BeschwerdeführerInnen, waren teils erfolgreich (AZ 1 BvR 2656/18 u.a.).

Damit bekommt die Bundesregierung nun Vorgaben, die etwa der Regierung der Niederlande schon nach ähnlichen Klagen auferlegt wurden, mit denen in Deutschland aber wenige gerechnet hatten. Für den Erfolg solcher Beschwerden ist entscheidend, dass die Freiheit und die Möglichkeiten einzelner als konkret beeinträchtigt gesehen werden. Das hat das Verfassungsgericht nun offensichtlich. Mit diesem Urteil dürften der Klimaschutz und die Rechte der jüngeren Generation, die stärker vom Klimawandel betroffen sein dürfte, nun zum zentralen Maßstab für Gesetze und politische Entscheidungen aufsteigen.

Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden seien durch die Regelungen in dem Gesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, erklärten die Richter. „Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030.“



Den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind“, heißt es. Zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit hätte der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen müssen, „um diese hohen Lasten abzumildern“.

Paradigmenwechsel beim gesetzlichen Klimaschutz

Das Urteil dürfte einen Paradigmenwechsel einläuten. Gesetzgeber und Bundesregierung dürften danach nicht mehr argumentieren können, Klimaschutz sei nur bis zu einer gewissen wirtschaftlichen Belastung machbar und einzelnen aufzubürden. Es wird vielmehr darum gehen, dass alle Entscheidungen immer bestimmten Schutzzielen entsprechen müssen und der Staat dafür Sorge tragen muss, dass die Belastungen für Einzelne – Junge wie Alte, Arme wie Reiche – erträglich bleiben sowie dass die Umstellung für Unternehmen und ganze Branchen gut organisiert wird.

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Dieses Urteil ist im anbrechenden Bundestagswahlkampf nicht zu unterschätzen und unterstützt die Argumentation der Grünen für Klimaschutz als Querschnittsthema für alle Politikbereiche. Doch egal welche Partei: Gemessen werden sollten alle an ihren konkreten Klimaschutz-Angeboten und daran, wie überzeugend sie die Schritte für den Verkehr, beim Heizen, für die Industrie und alle anderen Wirtschaftsbereiche hin in eine C02-neutrale Gesellschaft darstellen können.

Mehr zum Thema: Regierung muss nachbessern: Deutsches Klimaschutzgesetz ist in Teilen verfassungswidrig

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