Über die Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regierungspräsidenten Carles Puigdemont von Belgien an Spanien soll am 14. Dezember eine erste Entscheidung fallen. Dies kündigte das zuständige Untersuchungsgericht in Brüssel am Montag an, wie belgische Medien berichteten.
Puigdemont war am Morgen mit vier weiteren ehemaligen Ministern des katalanischen Kabinetts vor dem Gericht erschienen. Die spanische Justiz hat europäische Haftbefehle gegen die fünf separatistischen Politiker erlassen, die sich im Oktober nach Belgien abgesetzt hatten.
Ihnen werden im Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens unter anderem Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Es drohen langjährige Haftstrafen. Die Beschuldigten sind in Belgien unter Auflagen auf freiem Fuß.
Wie geht es weiter in Katalonien?
Nach der Veröffentlichung der Absetzung der Regionalregierung von Carles Puigdemont am Samstag im spanischen Amtsblatt ist der Ministerpräsident Mariano Rajoy auch Regionalpräsident Kataloniens. In der Praxis übernimmt seine Vizechefin, Soraya Saénz de Santamaría die Amtsgeschäfte. Die Staatssekretäre in den Madrider Ministerien übernehmen die Leitung der jeweiligen Regional-Ressorts. Ob und wie viele Politiker und Beamte im Rahmen der Übernahme von Madrid nach Barcelona versetzt werden, war vorerst noch unbekannt.
Ja. Die katalanische Regionalregierung hat in Barcelona knapp 110.000 Beamte sowie rund 90.000 Angestellte und Praktikanten, von denen sehr viele überzeugte Separatisten sind. Dem sogenannten „Verband der Gemeinden für die Unabhängigkeit Kataloniens“ (AMI) gehören zudem 787 aller 948 Bürgermeister an. Beobachter rechnen mit Boykottaktionen. Die Schriftstellerin und Journalistin Esther Jaén, die sich als Katalanin in der Region sehr gut auskennt, warnte vor einem „absoluten Desaster“ bei der Vorbereitung der Neuwahlen. Madrid drohte Widerständlern mit der Entlassung.
Die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d'Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt und nahmen ihren Hut bereits widerstandslos. Die „Mossos“ (Jungs) werden jetzt nach Medieneinschätzung den von Madrid eingesetzten neuen Chefs folgen, da bei der Polizei das Gehorsamsgebot gelte. Im Bereich der Justiz - anders als bei der katalanischen Polizei - war Madrid in Katalonien nie auf Probleme gestoßen. Die katalanische Justiz entschied zuletzt mehrfach gegen die Separatisten.
Es gibt Beobachter und Organisationen, die vor Unruhen in den kommenden Wochen warnen. Am Wochenende gab es aber wider Erwarten vorerst nicht eine einzige Protestkundgebung der Separatisten. Diese haben bisher auch zu keiner Demonstration aufgerufen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Befürworter einer Spaltung von Spanien wieder auf die Straße gehen werden.
Nicht unbedingt. Das Auswärtige Amt hatte Spanien-Reisende wegen des Konflikts vor einigen Wochen bereits zur Achtsamkeit aufgerufen. Aber selbst nach der Eskalation des Konflikts gab es bei großen Kundgebungen allenfalls kleinere Ausschreitungen.
Im Prinzip keine Größeren. Obgleich die abgesetzten Minister ab sofort keine Leibwächter mehr haben. Alle Abgeordneten bekommen aber bis zur Konstituierung des neuen Regionalparlaments ihre Bezüge weiter ausgezahlt. Überwiesen wird das Geld aus Madrid, da Rajoy unter anderem auch die Kontrolle über die Finanzbehörden der Region übernommen hat.
Auf den Straßen wird sich wenig ändern. Das Zusammenleben war im Zuge der Eskalation des Konflikts in den vergangenen Wochen in Katalonien schon heftig in Mitleidenschaft gezogen worden. Es gab Diskussionen und auch handfeste Streits unter Arbeitskollegen, Freunden und Angehörigen. „Ich habe Freunde verloren, die ich seit meiner Kindheit hatte“, sagte ein Anwalt der Deutschen Presse-Agentur. Viele hoffen nun, dass es zu Versöhnungen kommt.
Das stand am Wochenende noch nicht fest. Die Einschreibefrist läuft am 7. November ab. Medien berichteten, es habe in den Parteien bereits Treffen gegeben, um über diese Frage zu sprechen.
Entgegen früheren Plänen wird Madrid eine Kandidatur von Puigdemont nicht verhindern – sofern der liberale Politiker bis dahin nicht hinter Gittern sitzt. Der 54-Jährige könnte schon am Montag von der Generalstaatsanwaltschaft unter anderem der Rebellion beschuldigt und inhaftiert werden. Es droht eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren.
Zuvor hatte es auch in Spanien neue Entwicklungen um die Separatisten gegeben: Zwei führende Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regionalregierung müssen dort im Gefängnis bleiben. Das oberste spanische Gericht wies am Montag den Antrag von Ex-Vize-Präsidenten Oriol Junqueras und des früheren Kabinettsmitglieds Joaquim Forn auf Freilassung gegen Kaution zurück. Es bestehe zwar keine Fluchtgefahr, wohl aber das Risiko, dass die beiden Politiker rückfällig würden, erklärte das Gericht. Ihnen wird aufrührerisches Verhalten zur Last gelegt.
Am Dienstag beginnt der Wahlkampf für die Neuwahlen in Katalonien am 21. Dezember, bei denen Junqueras als Spitzenkandidat seiner linksgerichteten ERC antritt. Umfragen zufolge dürften sich Befürworter und Gegner einer Abspaltung von Spanien ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.
Sechs weitere ehemalige katalanische Kabinettsmitglieder können gegen eine Kaution von je 100.000 Euro frei kommen. Dagegen müssen die Chefs zweier Bürgerrechtsgruppen, Jordi Sanchez und Jordi Cuixart, im Gefängnis bleiben. Sie hatten sich an den Planungen für das für verfassungswidrig erklärte Referendum zur Loslösung vom Königreich am 1. Oktober beteiligt. Nach der darauffolgenden Unabhängigkeitserklärung der wohlhabenden Region hatte die Zentralregierung in Madrid die katalanische Führung abgesetzt.