Klimaschutz in der EU Das große Feilschen um schärfere CO2-Ziele beginnt

Quelle: imago images

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gibt mit dem neuen Einsparziel von 55 Prozent die Marschrichtung vor. Trotz der Coronakrise wird die EU die Emissionen wohl deutlich stärker bremsen, als bisher geplant.

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Noch ist nicht klar, wo Ursula von der Leyen auftreten wird. Eigentlich soll die Präsidentin der EU-Kommission ihre Ansprache zur Lage der Union in Straßburg halten, aber die Pandemie könnte die Planung noch ändern. Fest steht allerdings, dass von der Leyen in der großangelegten Rede zum Thema Klima sehr konkret werden wird. Nach Informationen aus EU-Kreisen wird sie vorschlagen, dass die 27 EU-Mitgliedsstaaten bis 2030 ihren CO2-Ausstoss um 55 Prozent reduzieren sollen. Die EU-Kommission ist in ihrer internen Gesetzesfolgenabschätzung zu dem Ziel gekommen, dass eine solche Verschärfung des Ziels, das bisher bei nur 40 Prozent lag, „wirtschaftlich von Vorteil“ sei, heißt es in Brüssel.

Von der Leyen gibt damit die Marschrichtung für diesen Herbst vor, in dem die EU über die Ziele entscheiden will. Auch wenn sich Mitgliedsstaaten und Europäisches Parlament nicht einig sind zum weiteren Vorgehen, ist damit gesichert, dass die EU unter die Marke von 55 Prozent nicht mehr zurückfallen wird. Bei ihrem Antritt hatte von der Leyen noch eine Bandbreite von 50 bis 55 Prozent genannt.

Aus dem Europäischen Parlament bekommt von der Leyen Beifall. „Das ist ein Erfolg, auch wenn wir noch nicht bei dem Wert sind, der nötig ist, damit die EU das 1,5 Grad-Ziel erreicht“, sagt Michael Bloss von den Grünen. Den Wert verortet seine Partei bei 65 Prozent.

Genau auf diesen Wert steuert das Europäische Parlament zu. Es wird erwartet, dass der federführende Umweltausschuss am Donnerstag ein Ziel von 65 Prozent vorschlagen wird. Selbst der konservative Industrieausschuss hatte an diesem Dienstag für 55 Prozent gestimmt. Das abschließende Votum soll vor dem EU-Gipfel Mitte Oktober stattfinden.

Die Christdemokraten im Europäischen Parlament warnen davor, die Wirtschaft zu sehr zu belasten. „Von 40 Prozent auf 55 Prozent hochzugehen, wäre schon ein Riesensprung“, sagt der CDU-Abgeordnete Peter Liese und warnt davor, dass die Zustimmung in der Bevölkerung für den Klimaschutz sinken wird, wenn die wirtschaftlichen Nebenwirkungen zu stark sind.

Der Grünen-Abgeordnete Bloss hält dem entgegen, dass zögerliche Ziele nicht helfen, wenn Europa bis 2050 tatsächlich klimaneutral werden will: „Wenn man 2030 keine hohen Ziele hat, dann muss man 2040 viel mehr machen.“

Der Umgang mit der Wirtschaft wird die Debatten in den kommenden Wochen prägen. Der grüne Europaabgeordnete Bloss dringt darauf, dass Planungs- und Investitionssicherheit geschafft wird. Sein CDU-Kollege Markus Pieper warnt dagegen, dass der ohnehin von der Corona-Krise gebeutelten Wirtschaft nicht zu viel zugemutet werden soll.

Entscheidend beim Ringen um die neuen Ziele wird die Haltung der EU-Mitgliedsstaaten ein. Deutschland, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, will das Thema bis zum Jahresende entscheidend vorantreiben. Umweltministerin Svenja Schulze und Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben sich öffentlich zum 55-Prozent-Ziel bekannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich noch nicht festgelegt. Seine Parteifreunde von Renew im Europäischen Parlament fordern 60 Prozent, ein Wert, der nicht ohne Rücksprache mit Paris zustande gekommen sein dürfte.

Ein gemeinsames Klimaziel ist nur ein Teil der EU-Klimapolitik. Die EU muss sich auf darauf verständigen, wie die Einsparungen zwischen Ländern und Sektoren verteilt werden. Dabei ist ein erbitterter Kampf zu erwarten. Die Autobranche etwa will keine schärfere Klimaziele für 2030. Das bedeutet aber automatisch, dass an anderen Schaltstellen geschraubt werden muss, etwa im Emissionshandel.

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