Wie kann man von „Geflüchteten“ sprechen, wenn sie freiwillig wieder dahin gehen, woher sie angeblich „geflohen“ sind, weil sie da nicht leben könnten? Und wie soll man ein Asylsystem ernst nehmen, wenn ein Bewerber, während sein Verfahren noch läuft, ganz offiziell Geld für seine Rückkehr beantragen kann? Das Asylverfahren von Hashem Gassin ist ganz offensichtlich eine Farce auf Kosten der Steuerzahler.
Die neue Verabschiedungspolitik entzaubert das zuvor zur Begründung der Willkommenspolitik bemühte Flüchtlingsnarrativ. Die Parole der „Freiwilligen Rückkehr von Geflüchteten“ offenbart schon sprachlich den absurden Widerspruch: zwischen der pauschalen Etikettierung aller Zuwandernden als Opfer, die aufzunehmen eine moralische Pflicht sei, und der vielschichtigen Zuwanderungswirklichkeit. Zu dieser gehören ganz offensichtlich sehr viele Menschen, die weniger vor etwas fliehen, sondern vielmehr von deutschen oder europäischen Reizen angezogen werden.
Eine verantwortungsvolle und langfristig angelegte Rückführungspolitik müsste sich daher vor allem diese Frage stellen: Was werden Hashem Gassin und die nach Namibia zurückgekehrte künftige Restaurantbetreiberin zuhause über diesen seltsamen Staat Deutschland erzählen? Vermutlich werden sie in ihren Ländern durch ihr Beispiel die Botschaft verbreiten, dass es sich für jeden lohnt, nach Deutschland zu „fliehen“ – auch für die, die gar nicht für immer dort leben wollen, sondern nur ein paar Tausend Euro brauchen, um sich in der Heimat eine Existenz aufzubauen.
Offenbar stellt sich in der Bundesregierung auch nach den Kommunikationskatastrophen des Jahres 2015 noch immer niemand diese entscheidende Frage nach der Sogwirkung deutscher Politik auf Migrationswillige in aller Welt. Wäre es nicht humanitärer und sinnvoller, Migranten dort finanzielle Rückkehranreize zu bieten, wo sie noch nicht europäischen Boden und möglichst auch noch kein seeuntaugliches Schlauchboot betreten haben? Sollte nicht das Ziel einer verantwortungsvollen Einwanderungspolitik – die vernünftigerweise immer begrenzend sein muss – die Vermeidung falscher Anreize sein, um die Mühen, Kosten und Enttäuschungen bei allen Beteiligten zu vermeiden?
Dafür, dass solche eigentlich naheliegenden Fragen in der akuten deutschen Politik keine große Rolle zu spielen scheinen, könnte eine noch grundlegendere Metamorphose mitverantwortlich sein. Sie vollzieht sich schon seit vielen Jahren mehr oder weniger unbemerkt: die Verwandlung des gesamten Staates von einem Gewaltmonopolisten, der als solcher Recht und Ordnung im Gemeinwesen nach innen und außen notfalls mit Gewalt schützt, hin zu einer willfährigen Geldverteilungsmaschinerie. Aus Thomas Hobbes’ allmächtigem Leviathan ist eine Milchkuh geworden, die sich gutmütig melken lässt, und völlig vergessen hat, wozu ihre Hörner da sind.