Knauß kontert

Für Macron bezahlen? Mit Vergnügen!

Ferdinand Knauß Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Ferdinand Knauß Reporter, Redakteur Politik WirtschaftsWoche Online Zur Kolumnen-Übersicht: Anders gesagt

Die Freude in Berlin über Emmanuel Macron ist befremdlich. Denn er will Geld. Doch die Deutschen scheinen gerne zahlen zu wollen. 

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Macron war noch vor seiner Wahl zu Besuch bei Angela Merkel im Bundeskanzleramt. Quelle: dpa Picture-Alliance

Ab heute ist Emmanuel Macron nicht nur gewählter, sondern auch amtierender Präsident der Französischen Republik. In Berlin und anderen Hauptstädten Europas freut man sich. Natürlich: Eine Präsidentin Le Pen hätte ungeheuerliche Unsicherheiten nicht nur für Frankreich, sondern für die gesamte Europäische Union bedeutet. Gezeter über eine angebliche deutsche (genauer: merkelianische) Bevormundung, wie es Le Pen verbreitete, verkniff sich Macron im Wahlkampf. Demonstrativ wird er am Montag - seinem zweiten Tag im Amt! – zum Antrittsbesuch nach Berlin reisen.

Aber muss man sich als Deutscher deswegen über Macron freuen? Eher nicht. Vor allem nicht, wenn man in Deutschland Steuern zahlt.

Deutschland ist für Macron wichtig, keine Frage. Aber das hat nichts mit einer besonderen Sympathie zu tun. Es ist reiner Pragmatismus. Der deutsche Steuerzahler, Sparer und künftige Rentner hat wenig Anlass zur Euphorie über Macrons Präsidentschaft. Denn die Spatzen pfeifen längst seine Devise von allen Dächern Frankreichs: Le boche payera.

Er hat natürlich Recht, wenn er versucht, für sein Land die Belastungen möglichst klein zu halten, die aus den von ihm für unumgänglich erkannten Reformen entstehen werden. Das ist seine Verantwortung als Präsident aller Franzosen. Und natürlich hat er auch grundsätzlich Recht, wenn er ebenso wie jeder andere vernünftige Mensch darauf hinweist, dass die Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands gegenüber den meisten anderen Euro-Ländern nicht von Dauer sein dürfen.

„Frankreich hat ein neues Kapitel aufgeschlagen“
Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron Quelle: REUTERS
Unterlegene Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen Quelle: AP
Wladimir Putin Quelle: AP
Macrons Vorgänger François Hollande Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Außenminister Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa

Die Deutschen werden ihren Anteil tragen, also in gewisser Weise Verzicht üben müssen, um die krassen wirtschaftlichen Ungleichgewischte zwischen den Ländern der Währungsunion auszubalancieren, oder zumindest nicht immer weiter zu vergrößern. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich: zehn Prozent, in Deutschland: sechs Prozent. Staatsverschuldung in Frankreich: 96 Prozent des BIP, in Deutschland: 68 Prozent.

Deutschland und Frankreich können nicht weiter die zentrale Kraftachse der Union sein, wenn beide Seiten der Achse nicht halbwegs rund und synchron laufen. Mit anhaltenden oder gar wachsenden Ungleichgewichten kann die Union mittelfristig nicht fortexistieren.

Aber es fragt sich eben, wie viel die Deutschen zu dieser Resynchronisation, so sie denn überhaupt möglich ist, beitragen und was Frankreich und die anderen Problemkinder aus eigener Anstrengung leisten. Die Gefahr für die deutschen Steuerzahler, Sparer und künftigen Rentner ist, dass man sie im Taumel der Feierlichkeit einer erneuerten deutsch-französischen Freundschaft über den Tisch zieht. Die Erfahrungen mit der entgrenzten „Rettungspolitik“ der beiden Regierungsparteien sowohl in der Währungsfrage als auch bei der Einwanderung haben gezeigt:  Einerseits haben die Deutschen (wir sprechen hier nicht von deutschen Unternehmen!) in der Bundesregierung keine besonders hartnäckige Verteidigerin ihrer profanen finanziellen Interessen auf europäischer Ebene; andererseits lassen sie sich auch im europäischen Vergleich besonders gut durch das Beschwören hehrer Ideale und moralische Apellen besänftigen. Bevor ein abwägender, sachlicher Diskurs in Parlament und Öffentlichkeit über diese beiden Felder ernsthaft stattfinden konnte, waren die Entscheidungen stets schon in der Exekutive gefallen. Der deutsche Wahl- und Steuerbürger ließ sich trotz unterschwelligen Unmuts und dem ein oder anderen Landtagssitz für die AfD letztlich seit 2010 immer wieder sedieren - mit Beschwörungen der Notwendigkeit von Solidarität und der Behauptung, dass Deutschland selbst vom Euro am meisten profitiere.

Worüber Macron mit Merkel sprechen wird

Macron, ohne Zweifel einer der schlausten Köpfe Frankreichs, hat in wohldosierter Weise und ohne lautes Le-Pen-Gepolter seine Wähler darauf eingestimmt, dass das mit der deutschen „Solidarität“ so weitergehen werde. Zu seinen Vorhaben für Europa gehört ein großes gemeinsames Investitionsprogramm, finanziert durch ein gemeinsames Budget in der Euro-Zone. Natürlich kann das sinnigerweise nur bedeuten, dass vor allem in den schwächeren Ökonomien inklusive Frankreich, investiert – aber vor allem von den stärkeren Ökonomien, also Deutschland vorneweg, eingezahlt wird.

Macron hat sicher mit Genugtuung die Kunde vernommen, dass Angela Merkels am Donnerstag im Düsseldorfer Ständehaus diesen Plan wohlwollend erwähnte. Sie „denke schon seit 2013 über ein Budget in der Eurozone nach, mit dem wir reformfreudigen Ländern helfen könnten“, sagte sie.

Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron

Darauf wird der frischgebackene Präsident die Kanzlerin am Montag in Berlin sicher ansprechen. Und dann wird er sicher auch auf sein zweites Lieblingsanliegen zu sprechen zu kommen: Wenn es ein gemeinsames Budget geben soll, wie könnte es da keine gemeinsamen Anleihen – vulgo Eurobonds - geben? Und wenn es ein gemeinsames Budget der Eurozone gibt, muss es dann nicht auch ein entsprechendes Teil-Parlament des Europäischen Parlaments für die 19 Eurostaaten geben, das eigene Steuern beschließen kann? Und lässt sich nicht sicher ein dornenarmer Weg finden, um Wolfgang Schäuble, dem letzten Ritter der No-Bail-Out-Illusion, einen halbwegs schmerzfreien Rückzug aus seiner unhaltbar gewordenen Bresche zu ermöglichen?

Macrons Ziel ist, die europäische Einigung zu forcieren ausgerechnet in dem historischen Moment, wo die europäischen Staaten ökonomisch auseinander driften. Die deutsche Volkswirtschaft soll die französische mitziehen - notgedrungen. Und die der anderen Südeuropäer auch. Während diese mit Frankreich zugleich eine sichere Mehrheit in dem neuen Parlament hätten.

Damit wäre dann auch die Frage entschieden, was mit den deutschen Staatsüberschüssen demnächst passieren wird. Zum deutschen Steuerzahler werden sie wohl kaum in nennenswerter Größe zurückkehren - auch wenn Merkel das im selben Interview in Aussicht stellte.

Die Deutschen werden auf neue europäische Opfer schon mal eingestimmt. Von ihrer Kanzlerin - „Deutschland wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es auch Europa gut geht“ – aber auch von Journalisten, wie zum Beispiel Mark Schieritz in der ZEIT: „Natürlich müssen wir für die Franzosen bezahlen, weil es in unserem eigenen Interesse ist.“

Die Kanzlerin und das so genannte politische Berlin inklusive Journalisten hält das alles wohl für alternativlos - auch wenn das Wort nicht mehr ausgesprochen wird. Vielleicht ist es das sogar. Aber die Bereitwilligkeit, ja fast Euphorie, mit der große Teile der deutschen Öffentlichkeit und politischen Klasse diese neuen Belastungen begrüßen, ist schon bizarr.

Vermutlich in keinem anderen Land Europas, würde der Spitzenkandidat einer Partei (und sogar einer, die sich als Anwalt der kleinen Leute sieht) im Wahlkampf offen fordern, das Geld der eigenen Bürger (und Wähler!) für die Zwecke anderer Länder einzusetzen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat schon lange vor Merkel offen Macrons Wünsche eines Eurozonen-Budgets unterstützt. Schulz‘ Parteifreund, Außenminister Sigmar Gabriel hat sich schon ähnlich geäußert. Er forderte schon vor Wochen außerdem, Deutschland solle von sich aus anbieten, deutlich mehr in den Brüsseler Topf einzuzahlen als bisher. Seine Begründung klingt wie eine Erpressung: „Emmanuel Macron muss Erfolg haben – wenn er scheitert, wird Frau Le Pen in fünf Jahren Präsidentin, und das europäische Projekt ginge vor die Hunde.“

Jetzt hat Gabriel, wie der Spiegel berichtet, sogar schon einen Entwurf für "eine gemeinsame Initiative" geschaffen. Er kann es offenbar kaum erwarten, das Steuergeld seiner Mitbürger locker zu machen. Kritische Stimmen nennt er "engstirnig und kleinherzig".

Natürlich wird man sich in Paris und anderen europäischen Hauptstädten freuen über solche Großzügigkeit und der SPD im September die Daumen drücken. Aber ebenso wie die Freude über solche Hilfsbereitschaft wird sicher auch das Befremden über diese seltsamen Deutschen wieder wachsen. Sie glauben offenbar wirklich mal wieder, dass sie Europa retten müssen und können - koste es was es wolle. 

In anderen Ländern Europas wird die EU als Mechanismus des Konfliktausgleichs angesehen, mit dem man eigene Interessen friedlich aber konsequent gegenüber anderen Ländern zur Geltung bringt. Nicht so in Deutschland offenbar. 51 Prozent sind laut Spiegel-Umfrage für "gemeinsame Investitionen". Über die Deutschen und ihren Idealismus kann man weiterhin nur staunen.

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