




Im krisengeschüttelten Italien sind auch negative Wachstumszahlen ein Grund für Optimismus – nämlich dann, wenn die Ergebnisse weniger schlecht ausfallen, als allgemein erwartet. Wie die italienische Statistikbehörde ISTAT heute bekannt gab, ist das Bruttoinlandsprodukt nach vorläufigen Schätzungen im dritten Quartal 2012 um nur 0,2 Prozent zum Vorquartal geschrumpft. Experten hatten mit einem Rückgang von bis zu 0,5 Prozent gerechnet. Auch was die allgemeine Wirtschaftsleistung betrifft, hatten Analysten zu pessimistisch geurteilt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im Vergleich zum dritten Quartal 2011 mit einem Minus von 2,4 Prozent um 0,5 Prozentpunkte weniger zurück, als erwartet.
Dennoch ist klar: Mit einem BIP-Rückgang im fünften Quartal in Folge befindet sich Italien nach wie vor in der Rezession. Allerdings: Die Technokraten-Regierung unter Ministerpräsident Mario Monti hat die Probleme deutlicher denn je beim Namen genannt, erste Reformen greifen bereits oder sind auf dem Weg.
Gemeinsam mit dem Minister für Wirtschaftsentwicklung, Corrado Passera, hat Monti Anfang Oktober einen „Pakt für Produktivität“ ausgerufen. Denn hier hakt es in Italien seit Jahren. Die Lohnstückkosten sind im internationalen Vergleich zu hoch, Italiens Wirtschaft produziert bei gleichen Kosten weniger als die meisten Nachbarländer.
Italiens Reformen
• Verfassungsänderung für ausgeglichene Haushalte
• Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 21%
• Rentenkürzungen
• „Solidaritätsabgabe“ bei Einkommen über 300.000 Euro
• Flexibilisierung der zumeist zentral geregelten Arbeitsverträge
• Weniger Geld für Provinzregierungen, Reduzierung der Zahl der Provinzen, Reduzierung der Feiertage
• Sparpaket mit Volumen 33 Mrd. Euro (Schwerpunkt: Einnahmeerhöhung ca. 30 Mrd. Euro; Kostenreduzierungen 12-13 Mrd. Euro; 10 Mrd. Euro Zusatzausgaben für Wachstumsförderung)
• Weitere Erhöhung der MwSt (von 21 auf 23%, ermäßigt von 10 auf 12% ab 01.09.2012)
• Anpassung des Renteneintrittsalters an Lebenserwartung (Rente mit 67, Einschränkung der Frühverrentung), Wegfall Inflationsanpassung von Renten, Änderung der Berechnungsgrundlage von letzten Gehalt bei gezahlte Beiträge
• Leichtere Kündigungsmöglichkeiten im privaten Sektor
• Möglichkeit, im öffentlichen Sektor Arbeitsplätze abzubauen
• Liberalisierung von kommunalen Dienstleistungen; weniger Exklusivrechte, Möglichkeit zum Abweichen von den Mindestgebühren für bestimmte Berufe
• Liberalisierung im Postwesen (Trennung Postbank von herkömmlichen Postdienstleistungen), im Handel, in zahlreichen Berufssparten, im lokalen Transportwesen und im Energiesektor
• Reformen von Justiz und Bildungssystem
• Privatisierungen im Rahmen von 15 Mrd. Euro über drei Jahre
• Abschaffung von Steuererleichterungen, Bekämpfung der Steuerflucht (Obergrenze für Bartransaktionen)
• Überprüfung des Systems für Arbeitslosengeld
• Wiedereinführung einer Immobiliensteuer (10 Mrd. Euro), höhere Grundbuchbewertung
• Luxussteuer auf Yachten, Privatflugzeuge und hubraumschwere Autos
• Regierungschef Monti verzichtet auf Gehalt
• Zusatzinvestitionen in Infrastruktur, Senkung der Körperschaftsteuer
• Wachstumsprogramm „Cresci Italia“ für Januar 2012 angekündigt
• Liberalisierung des Arzneimittelhandels und der Taxidienste
• Kürzungen von Pensionen und Bezügen von Abgeordneten
Für Unternehmer aus dem Ausland fehlen die Anreize, in Italien zu investieren. Auch inländische Unternehmer zögern, die Produktion zu modernisieren. Umständliche Bürokratie und zu hohe Steuern fallen hier ins Gewicht.
Deutsche Ausbildung soll's richten
In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Unternehmen sollen nun bald konkrete Vorschläge folgen, um die Produktivität im Land zu steigern. Eine Neuregelung bei den Arbeitsverträgen ist bereits auf dem Weg. Der Kündigungsschutz soll abgebaut werden, vor allem die Jungen sollen so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten.
Die Jugendarbeitslosigkeit ist ein großes Problem des Landes: 35,1 Prozent der 15 bis 24-Jährigen hatten im September keinen Job, im industriell schwachen Süden liegt die Quote bei über 50 Prozent. Mit einem Memorandum, das Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und ihre italienische Amtskollegin Elsa Fornero am Montag in Neapel unterzeichneten, soll auch in Italien das System der dualen Ausbildung beworben werden. Bisher ist es in Italien eher die Ausnahme, dass Unternehmen Schulabgänger über einen längeren Zeitraum ausbilden.
Für Italien gilt es nun, den eingeschlagenen Weg auch nach den Wahlen im April 2013 fortzuführen. Für 2014 sehen Experten erstmals ein positives BIP-Wachstum – plus 0,8 Prozent seien möglich.