




Leere Hotels, Produkte, die in den Geschäften liegen bleiben: Das ist der Anblick, der sich in der Schweiz künftig bieten könnte. Der Franken-Schock hat der Wirtschaft deutlich zugesetzt - wie es weitergeht, ist noch unklar. Im Januar hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Frankenbindung aufgehoben - und damit den Franken gegenüber dem Euro und anderen Währungen deutlich aufgewertet. Der Franken war durch die Entscheidung schlagartig rund 20 Prozent teurer geworden.
Eine Folge: ein Milliardenverlust für die SNB. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres verbuchte sie ein Minus von 30 Milliarden Franken (umgerechnet 28,6 Milliarden Euro). Gerade erst haben Finanzexperten wieder von einer Verschlechterung der Konjunkturerwartungen gesprochen: Demnach ist der ZEW-Erwartungsindikator in der Juli-Umfrage gegenüber dem Vormonat auf minus 5,4 gesunken, wie die Credit Suisse mitteilte.
32 Prozent der befragten Analysten erwarteten in den kommenden sechs Monaten eine Abwertung des Frankens zum Euro. Von einer Aufwertung gingen 27 Prozent aus. Die Mehrheit der Befragten gehe für die Schweiz im laufenden Jahr von einem Wirtschaftswachstum zwischen 0,5 bis 1,0 Prozent und einer Beschleunigung im kommenden Jahr auf 1,0 bis 1,5 Prozent aus.
Wirtschaftliche Beziehungen der Schweiz zu Deutschland und der EU
Zwischen der Schweiz und der EU besteht ein reger Warenaustausch. Die Schweiz exportierte 2013 nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) Waren im Wert von rund 90 Milliarden Euro (54,9 Prozent der Ausfuhren) in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Importiert wurden aus den Mitgliedstaaten der EU Waren im Wert von rund 108 Milliarden Euro (74,4 Prozent der gesamten Einfuhren).
Die Schweiz ist viertwichtigster Handelspartner der EU nach USA, China und Russland. Exportiert werden Pharmazeutika, Industriemaschinen, Präzisionsinstrumente, Uhren.
Deutschland ist laut BMWI Zielland für rund ein Drittel der schweizerischen Exporte. Knapp ein Fünftel der schweizerischen Importe stammen aus Deutschland. Deutschland ist somit der mit Abstand wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz.
Aber auch für Deutschland sind die Handelsbeziehungen zur Schweiz von „enormer“ Bedeutung, schreibt das BMWI auf seiner Webseite. Die Schweiz nimmt demnach in der Rangliste der wichtigsten deutschen Handelspartner den 8. Rang sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen ein.
2012 hatte die vergleichsweise kleine Schweiz (acht Millionen Einwohner) wertmäßig mehr deutsche Produkte eingeführt als beispielsweise Russland (142 Millionen Einwohner), Japan (127 Millionen Einwohner) oder Polen (38 Millionen Einwohner).
290.000 Deutsche leben und arbeiten laut BMWI in der Schweiz. Deutsche bilden damit nur noch knapp nach Italienern (15,9 Prozent) die zweitstärkste Ausländergruppe (15,2 Prozent).
Das ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs – und die Schweiz hat mittlerweile ein ernstzunehmendes wirtschaftliches Problem: „Die Schweiz befindet sich in einer Rezession“, sagt Jan-Egbert Sturm, Professor für Angewandte Makroökonomie und Leiter der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich.
Export-Einbußen in wichtigen Branchen
Das hat weitreichende Konsequenzen: Die Exporte gehen zurück, weil die Produkte teurer werden: Die Ausfuhren schrumpften in der ersten Jahreshälfte um 2,6 Prozent, wie die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) am Dienstag in Basel mitteilte. Sieben wichtige Exportbranchen erlitten Einbußen, darunter Pharma und Maschinenbau.
Insgesamt exportierte die Schweiz weiterhin deutlich mehr, als sie importierte.
Auch viele Unternehmen können den Währungsschock nicht mehr stemmen – und schalten deshalb in den Krisenmodus: Noch sind die Auftragsbücher nach einem guten Jahr 2014 gefüllt, die Zukunftsaussichten allerdings sind weniger rosig. Zwar komme es derzeit noch nicht zu Entlassungswellen, sagt Sturm, aber es werde auch kaum noch neues Personal eingestellt.
Das liegt auch an den Unklarkheiten über die Umsetzung der Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung": 16 Monate ist es her, dass die Schweizer über neue Zuwanderungsbeschränkungen abstimmen konnten.
In der EU wurde das Votum mit eher negativen Gefühlen aufgenommen – ein EU-Diplomat bezeichnete eine neue Abstimmung sogar als „unvermeidlich“. Damals hatten sich die Schweizer mit knapper Mehrheit für neue Regeln bei der Zuwanderung ausgesprochen und damit auch für eine Kontingentierung und die Bevorzugung von Inländern bei der Stellenvergabe. Innerhalb von drei Jahren müsse das Votum umgesetzt werden, sofern es doch noch kommt.
Diese Hängepartie belastet die Schweizer Wirtschaft zusätzlich. „Die Unternehmen überlegen sich sehr genau, ob sie noch in der Schweiz investieren sollen, da es unklar ist ob sie sich zukünftig noch ausländische Fachkräfte holen können“, sagt Sturm. „Als Hochpreisinsel muss die Schweiz innovativ bleiben – dafür bräuchte sie die richtigen Fachkräfte.“