Krim-Krise Russlands Nachbarn zittern vor Putin

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Georgien und Aserbaidschan

Georgien

Als der Hitzkopf Michail Saakaschwili seine Armee in der Nacht zum 8. August 2008 auf das abtrünnige Südossetien losließ, standen russische Panzer hinter den Bergen mit laufendem Motor bereit. Es dauerte vier Tage, ehe Russland den Kaukasuskrieg gewonnen hatte – und noch einmal zwei Wochen, bis der Kreml Georgiens abtrünnige Republiken Südossetien und Abchasien als unabhängig anerkannte. Georgien hat also erlebt, was der Ukraine später widerfahren ist: der Verlust von Teilen eigenen Territoriums an Russland.

Sicher hatte Moskau die Reibereien in den Teilrepubliken bewusst angeheizt. Die Menschen wurden mit der russischen Staatsbürgerschaft ausgestattet, um der weiß-blau-roten Armee einen Vorwand für Interventionen zu geben. Gleichwohl ging die Attacke klar von georgischer Seite aus, wie hinterher auch ein Untersuchungsbericht der EU-Kommission bestätigte. Der damalige Präsident Saakaschwili hatte die Bereitschaft der USA überschätzt, seinem kleinen Land mit mehr als ein paar Militärberatern beizustehen.

Georgien stürzte durch den Krieg damals in eine tiefe Sinnkrise, die sich nicht nur daran ablesen ließ, dass der hypernervöse Präsident in einem Fernsehinterview an seiner Krawatte knabberte. Vor allem traf ein Embargo der Russen das Land mit seinen 4,5 Millionen Einwohnern hart: Plötzlich war der größte Absatzmarkt für Wein und Wasser weggebrochen. Die Georgier haben den Schock inzwischen verdaut: Da lokale Unternehmen auf Richtung Europa expandieren mussten, führten die Winzer EU-Standards ein. In der Verwaltung kehrten die Georgier korrupte wie faule Beamte aus, um das Land fit für Investitionen aus dem Westen zu machen.

Zwar hat Georgien auch heute noch eine hohe Arbeitslosigkeit. Im Doing-Business-Report der Weltbank findet sich Georgien aber auf Platz 8 von 189 – weit vor der Bundesrepublik auf Rang 21. Damit ist die kleine Kaukasusrepublik das mit Abstand investorenfreundlichste Land im postsowjetischen Raum. Georgien hat rasch die Vorgaben eines EU-Assoziierungsabkommens vorweggenommen, das in diesem Sommer unterzeichnet werden soll. Danach müssen nur Investoren kommen.

Aserbaidschan

In der Ölstadt Baku schaut man mit Sorge auf die offensive Nachbarschaftspolitik der Russen. Politisch ist der neun Millionen Einwohner zählende Staat nicht auf einer Linie mit Moskau – erst recht, seit sich Aserbaidschan als alternativer Gaslieferant für den Westen in Stellung bringt: Über die Pipelines TAP und Tanap könnte der staatliche Konzern Socar in wenigen Jahren Gas nach Europa pumpen und so dazu beitragen, die Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland zu senken.

Was keineswegs dazu beiträgt, dass sich Aserbaidschan sicherer fühlt. Im Land leben rund 100.000 Russen, was Moskau Gelegenheit gibt, ein Mitspracherecht für die Zukunft des Landes zu beanspruchen. Ein Druckmittel könnte der Konflikt um Bergkarabach sein. Die Region im Grenzgebiet zwischen Aserbaidschan und Armenien hat sich 1991 für unabhängig erklärt. Auf dem ursprünglich aserbaidschanischen Territorium leben heute überwiegend Armenier, die ihre aserischen Nachbarn einst vertrieben haben. Heute noch wähnt sich Aserbaidschan im Kriegszustand, ohne dass man sich militärische Aktionen zutraut: Denn den christlichen Armeniern steht Russland bei.

Baku laviert zwischen Russland und Europa, aber die Unsicherheit wächst. Vafa Guluzade, der als langjähriger Berater der Regierung in Baku stets einen klaren Westkurs propagierte, warnt: „Wir sind ein kleines Land, aber Russland ist nach den Ereignissen in der Ukraine wieder zur Supermacht aufgestiegen.“ Jetzt habe Putin das Völkerrecht verletzt – und was tun die USA? „Die sind ein bisschen beleidigt, aber nach einer Zeit werden sie den Russen wieder die Hand reichen“, sagt Guluzade.

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