Krim-Krise Russlands Nachbarn zittern vor Putin

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Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn

Polen

Das hat es im polnischen Parlament seit fast einem Jahrzehnt nicht gegeben: Der Oppositionsführer spendet dem Ministerpräsidenten demonstrativ Beifall. Spinnefeind sind sich ansonsten der stockkatholische Nationalist Jaroslaw Kaczynski und der bürgerlich-liberale Regierungschef Donald Tusk, aber dieses Thema lässt sie allen Hader vergessen: Alle Polen, auf die es ankommt, stehen aufseiten der Ukraine und blicken mit Angst nach Moskau.

Die Angst liegt in der leidvollen Erinnerung an die sowjetkommunistische Dominanz vor 1990 begründet, die seit der Krim-Krise wieder besonders ausgeprägt ist. Alle polnischen Regierungen werben seit Jahren für die Integration des großen Nachbarn Ukraine in den Westen, auch aus ökonomischen Gründen. Die Ukraine, hofft Warschau, könnte Polens Entwicklung an der Ostgrenze befördern.

Polnische Unternehmen spielen unter den wenigen EU-Investoren in der Ukraine eine führende Rolle, etwa fünf Prozent des gesamten polnischen Exports gehen in das Nachbarland. Schon jetzt rechnen Warschauer Ökonomen damit, dass die ukrainischen Turbulenzen Polens Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um 0,3 Prozent schmälern werden. Dergleichen wird in Warschau mehr diskutiert als ein möglicher Stopp der russischen Erdgaslieferungen, die ungefähr 55 Prozent des polnischen Gasverbrauchs ausmachen. Die Polen haben auch aus Verärgerung über die über ihre Köpfe hinweggehenden russisch-deutschen Erdgasdeals in den vergangenen Jahren den Bau eines LNG-Terminals in Swinoujscie begonnen, über den in knapp einem Jahr schon Erdgas aus Katar oder Algerien nach Polen kommen soll. Und vielleicht auch nach Deutschland? Die Hafenstadt auf der Insel Usedom – das alte Swinemünde – liegt 232 Straßenkilometer von Berlin entfernt.

Tschechien, die Slowakei und Ungarn

Die zehn Millionen Tschechen brauchen keine Angst haben, dass Russland ihnen den Öl- oder Gashahn zudreht. Das Land ist der drittgrößte Energie-Exporteur unter den EU-Staaten und sieht sich mit einem Energiemix aus importiertem Gas und Öl, heimischer Steinkohle und im Land unumstrittener Kernkraft auf der sicheren Seite. Die Sorge hat mit Ökonomie wenig und mit politischen Erinnerungen viel zu tun: Der sowjetische Truppeneinmarsch in die damalige Tschechoslowakei 1968 kehrt als Trauma wieder angesichts der Nachrichten aus der Ukraine.

Diese Erinnerungen gibt es genauso im Nachbarland Slowakei. Und dazu kommt eine erhebliche Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen. In Bratislava denkt man mit Unbehagen an die Tage Anfang 2009, als Gazprom der Ukraine den Gashahn abdrehte – worauf es auch in den slowakischen Häusern und Fabriken kalt wurde. Seitdem bemühen sich die Slowaken um geografische Differenzierung ihrer Energieversorgung. Es gibt das Projekt einer Nord-Süd-Pipeline von der Ostsee in Polen über die Slowakei und Ungarn bis zur kroatischen Adriaküste, durch die Erdgas in beide Richtungen fließen soll.

Auch die Ungarn hängen am russischen Gas. Das Land hat praktisch keine eigenen Energiequellen. Lange hatten Budapester Politiker auf das Nabucco-Projekt gesetzt – eine Pipeline, die aus Aserbaidschan Gas nach Mitteleuropa befördern sollte. Das ist geplatzt, nun schaut das Land in die Röhre. Was besonders schlimm ist, weil Ungarn für Bürger und Unternehmen die Energie erheblich subventioniert – typisch für Regierungschef Viktor Orbán, der Putin in seinem Populismus in nichts nachsteht.

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