In der Krise um den französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon hat der frühere Premierminister Alain Juppé eine eigene Kandidatur ausgeschlossen. Er sei nicht in der Lage, das Lager der bürgerlichen Rechten zu versammeln, räumte Juppé ein. „Deshalb bestätige ich ein für alle Mal, dass ich nicht Kandidat für die Präsidentschaft der Republik sein werde.“ Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen Fillon, den er in einer „Sackgasse“ sieht.
Fillons Wahlkampf wird seit Wochen vom Verdacht einer Scheinbeschäftigung seiner Frau belastet. Eine Reihe von Politikern hatten deshalb zuletzt Juppé als Ersatzkandidaten ins Spiel gebracht. Der 71-jährige Bürgermeister von Bordeaux gehört wie Fillon den konservativen Republikanern an.
Die konservativen Republikaner stecken keine sieben Wochen vor dem ersten Wahlgang in der Klemme. Zahlreiche Politiker der Partei waren in den vergangenen Tagen von Fillon abgerückt, dieser will aber als Kandidat weitermachen und hatte am Sonntag Zehntausende Anhänger zu einer Demonstration mobilisiert.
Nun schaltete sich auch Ex-Präsident Nicolas Sarkozy öffentlich in die Krise ein. Er schlug ein Treffen Fillons mit ihm und Juppé vor, um „einen Weg für einen würdigen und glaubwürdigen Ausweg aus einer Situation zu finden, die nicht weitergehen kann“. Am Montagabend sollte sich das politische Komitee der Republikaner treffen, in dem alle wichtigen Parteigrößen vertreten sind.
Juppé warf Fillon „Dickköpfigkeit“ vor. Dessen Verteidigungslinie, ein Komplott und eine versuchte „politische Ermordung“ anzuprangern, habe ihn in eine Sackgasse gebracht. „Was für eine Verschwendung“, sagte er mit Blick darauf, dass Fillon anfangs als Favorit der Präsidentenwahl im April und Mai gegolten hatte. Inzwischen liegt er in Umfragen abgeschlagen auf Platz Drei - und käme damit nicht in die entscheidende Stichwahl.
Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt
Von allen Staatsoberhäuptern der Europäischen Union hat der französische Präsident die größten Vollmachten. Seine starke Stellung verdankt er der Verfassung der 1958 gegründeten Fünften Republik, ihr erster Präsident war General Charles de Gaulle.
Der Staatschef wird seit 1965 direkt vom Volk gewählt und kann beliebig oft wiedergewählt werden. Seit 2002 beträgt seine Amtszeit noch fünf statt sieben Jahre.
Der Präsident verkündet die Gesetze, kann den Premierminister entlassen und die Nationalversammlung auflösen. In Krisenzeiten kann er den Notstandsartikel 16 anwenden, der ihm nahezu uneingeschränkte Vollmachten gibt.
Der Staatschef ist gegenüber dem Parlament nicht verantwortlich. Durch eine 2007 beschlossene Verfassungsänderung sind Staatschefs im Amt vor Strafverfolgung ausdrücklich geschützt. Das Parlament kann den Präsidenten nur bei schweren Verfehlungen mit Zweidrittelmehrheit absetzen.
Frankreichs Staatschef ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hat in der Verteidigungs- und Außenpolitik das Sagen. Seine stärksten Druckmittel sind der rote Knopf zum Einsatz von Atomwaffen und das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat.
Der Präsident ernennt den Premierminister und auf dessen Vorschlag die übrigen Minister, leitet die wöchentlichen Kabinettssitzungen und nimmt Ernennungen für die wichtigsten Staatsämter vor.
Seine Macht wird jedoch eingeschränkt, wenn der Regierungschef aus einem anderen politischen Lager kommt und der Präsident keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung hat. Dieser Fall der „Kohabitation“ war bei der Verabschiedung der Verfassung nicht vorgesehen. Er trat aber bereits drei Mal ein, zuletzt 1997 bis 2002, als der konservative Staatschef Jacques Chirac mit dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin auskommen musste.
Ungeachtet des wachsenden innerparteilichen Drucks will Francois Fillon jedoch nicht zurück. Stattdessen appellierte er an seine republikanischen Parteifreunde, sich hinter ihn zu stellen. Seine Kandidatur sei die einzig legitime. "Es ist Zeit, dass sich alle zusammenreißen und wieder zu Verstand kommen", sagte Fillon bei einer Krisensitzung der Parteispitze.
Die Franzosen wählen ihren neuen Staatschef in zwei Runden am 23. April und am 7. Mai.