Krisenland wartet noch immer auf Aufschwung Korruption und Armut bremsen die Ukraine aus

Millionen Ukrainer stimmen mit den Füßen ab: Korruption und Armut treiben sie ins Ausland. Quelle: AP

Auch für die deutsche Wirtschaft sollte der ukrainische Markt nach der blutigen Revolution dort vor fünf Jahren ein großer Gewinn sein. Milliarden hat der Westen seither in die Ex-Sowjetrepublik gepumpt. Haben sich die Erwartungen erfüllt?

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Arbeiten in Deutschland – gelernt oder ungelernt – für 39.000 ukrainische Griwna (gut 1260 Euro) im Monat. Oder in Polen. Auf jeden Fall ist das viermal so viel wie in der Ukraine. In dem krisengeschüttelten Land ist öffentliche Werbung für Billigarbeitskräfte in der EU verbreitet. Fünf Jahre nach dem gewaltsamen Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik mit ihrer wirtschaftlichen Abkehr von Russland und der Hinwendung zur EU kommt das Land nicht aus der Krise. Statt des erhofften Aufschwungs sind die Arbeitsmigranten heute das wichtigste Exportgut. Millionen haben die Ukraine verlassen, um anderswo eine Zukunft zu finden.

Dabei pumpte der Westen seit der Wahl des superreichen Schokoladenfabrikanten Petro Poroschenko zum Präsidenten schon weit über 20 Milliarden Euro in das Land. Damit sollte der Oligarch eigentlich die Ex-Sowjetrepublik reformieren. Den Markt mit 42 Millionen Verbrauchern fit machen für den Westen. Gelungen ist ihm das aber kaum, wie Wirtschaftsexperten sagen. Bei der Präsidentenwahl am Sonntag (31. März) droht Poroschenko eine Niederlage.

Die großen deutschen Konzerne machen um die Ukraine aus Sicht des Wirtschaftsprofessors Georg Milbradt trotz vieler Fortschritte weiter einen Bogen. Besonders der Krieg im Osten des Landes, aber auch Rechtsunsicherheit und fehlende Reformen schreckten viele private Investoren ab, sagt der von den G7-Industriestaaten eingesetzte Sondergesandte für die Ukraine. „Oft winken viele Vorstände noch ab“, sagt der frühere sächsische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur.

Gerade einmal 148 Millionen Euro haben deutsche Unternehmen nach ukrainischen Angaben 2017 in dem Land investiert. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft in Berlin, der neben der Ukraine auch Russland im Blick hat, sieht noch viel Reformbedarf. Unternehmen beklagen einen fehlenden Schutz für ihr Eigentum. Korruption und Bürokratie sind verbreitet. Zudem hätten Oligarchen oft das Sagen.

Doch klar ist auch, dass der Zugang zum ukrainischen Markt für Deutschland und andere EU-Länder viel leichter geworden ist. Nach Berechnungen der EU-Kommission sparen Unternehmen wegen des Wegfalls von Zöllen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Besonders der deutsche Mittelstand nutzt das Land mit seinen vergleichsweise niedrigen Löhnen von 200 bis 300 Euro im Monat als Werkbank für eine kostengünstige Produktion. So stammt etwa ein Großteil der Kabelbäume in deutschen Autos aus der Ukraine. Aber viele Ukrainer beklagen, dass die Entwicklung nicht ausreiche.

Zur Erinnerung: 2013/2014 stürzte der Streit um das so bezeichnete EU-Assoziierungs- und Freihandelsabkommen die traditionell eng verbandelten Staaten Russland und Ukraine in die Krise. Die Ukraine wollte sich lösen von russischer Bevormundung. Russland warnte, dass das zum Ende der Handelsbeziehungen führen könnte. Die Ukraine entschied sich trotzdem für den zollfreien Handel mit der EU und gegen eine Zusammenarbeit mit der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion.

Seither sehen sich die Nachbarn nicht nur politisch wegen des Krieges im einstigen Industrie- und Kohlebergbaugebiet Donbass als Kontrahenten. Der Verlust des russischen Marktes schlägt insgesamt negativ auf die ukrainische Wirtschaft durch. Demnach brach der russisch-ukrainische Handel von 38 Milliarden US-Dollar 2013 auf 11,7 Milliarden US-Dollar 2018 ein. Aber auch der ukrainische Handel mit der EU hat sich noch nicht wieder auf die einstigen 44 Milliarden Euro erhöht. 2017 seien es 37,7 Milliarden Euro gewesen.

Zudem ist unklar, ob die Energiegroßmacht Russland die Ukraine auch künftig als Transitland für den Gasexport nach Westen nutzt. Das Land würde Milliarden an Transitgebühren verlieren, sollte Russland nur seine Leitungen durch die Ostsee und die Türkei nach Westen nutzen.

Dagegen will die deutsche Wirtschaft Zuversicht versprühen. Insgesamt gehe der Trend seit 2016 nach dem Einbruch auf 4,8 Milliarden Euro im Jahr davor wieder aufwärts, heißt es beim Ost-Ausschuss in Berlin. Der deutsch-ukrainische Handel lag demnach im vergangenen Jahr bei 7,2 Milliarden Euro. Dabei profitiert Deutschland mehr davon als die Ukraine. Deutschland exportiert etwa chemische Erzeugnisse, Maschinen und Elektrotechnik. Aus der Ukraine kommen etwa Kleidung, Möbel und Nahrungsmittel nach Deutschland.

Doch gerade beim Export von landwirtschaftlichen Produkten sieht sich die Ukraine ausgebremst von der EU. Quoten verhindern, dass der Agrarstaat Ukraine – die Kornkammer Europas – den stark subventionierten EU-Markt mit unschlagbar günstigen Gütern überschwemmt. Den Landwirten bleibt hier nur die Suche nach anderen Märkten; und den Ukrainern die Hoffnung auf ein Leben ohne eine Wirtschaftsflucht in Ausland.

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