In Norditalien, dem industriellen Herz des Landes, wehren sich die Unternehmer gegen den Absturz. Der Automobilzulieferer Sogefi, der Medizintechnik-Konzern Diasorin oder der Elektronikgeräte-Hersteller Indesit sind feste Größen in ihren Branchen und behaupten sich auf dem Weltmarkt.
Indesit aus Ancona produziert Küchengeräte wie Induktionsherde, Spülmaschinen oder Kühltheken und setzte 2011 weltweit 2,8 Milliarden Euro um. Der nach Electrolux und der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH drittgrößte europäische Hersteller von elektrischen Haushaltsgeräten machte zuletzt 150 Millionen Euro Gewinn und hat seine Nettofinanzschulden seit 2005 von 520 auf 180 Millionen Euro abgebaut.
"Beschlüsse vergrößern das Haftungsvolumen"
„Italien hat eine gesunde Struktur, der Industrialisierungsgrad ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Es gibt Unternehmen, die nicht konjunkturanfällig sind, weil sie hoch spezialisiert und kundenorientiert arbeiten“, so Pudzich.
So etwa das Turiner Softwarehaus Reply. Die Geschäfte laufen gut, um 15 Prozent stieg der Umsatz im vergangenen Jahr, seit 1999 wuchs Reply von 18 auf fast 440 Millionen Euro Umsatz heran. Das Familienunternehmen von Tatiana Rizzante, das 1996 von ihrem Vater gegründet wurde, ist hoch profitabel und hat kaum Schulden.
Großunternehmen bleiben die Ausnahme
Doch Indesit, Reply & Co. sind Ausnahmen. In der Wirtschaft dominieren kleine Unternehmen, die vorwiegend für den Binnenmarkt produzieren. „Das sind vor allem Betriebe mit einer Handvoll Angestellten“, sagt Pudzich. Diese Betriebe sind es auch, die unter den Folgen der Krise am meisten leiden. „Zum ersten Mal seit rund zehn Jahren ist die Krise in den Portemonnaies der Italiener angekommen“, so der Deutsche. Die Folge: Die Binnenkonjunktur ist eingebrochen, viele Kleinstbetriebe mussten ihr Gewerbe schließen.
Italiens Reformen
• Verfassungsänderung für ausgeglichene Haushalte
• Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 21%
• Rentenkürzungen
• „Solidaritätsabgabe“ bei Einkommen über 300.000 Euro
• Flexibilisierung der zumeist zentral geregelten Arbeitsverträge
• Weniger Geld für Provinzregierungen, Reduzierung der Zahl der Provinzen, Reduzierung der Feiertage
• Sparpaket mit Volumen 33 Mrd. Euro (Schwerpunkt: Einnahmeerhöhung ca. 30 Mrd. Euro; Kostenreduzierungen 12-13 Mrd. Euro; 10 Mrd. Euro Zusatzausgaben für Wachstumsförderung)
• Weitere Erhöhung der MwSt (von 21 auf 23%, ermäßigt von 10 auf 12% ab 01.09.2012)
• Anpassung des Renteneintrittsalters an Lebenserwartung (Rente mit 67, Einschränkung der Frühverrentung), Wegfall Inflationsanpassung von Renten, Änderung der Berechnungsgrundlage von letzten Gehalt bei gezahlte Beiträge
• Leichtere Kündigungsmöglichkeiten im privaten Sektor
• Möglichkeit, im öffentlichen Sektor Arbeitsplätze abzubauen
• Liberalisierung von kommunalen Dienstleistungen; weniger Exklusivrechte, Möglichkeit zum Abweichen von den Mindestgebühren für bestimmte Berufe
• Liberalisierung im Postwesen (Trennung Postbank von herkömmlichen Postdienstleistungen), im Handel, in zahlreichen Berufssparten, im lokalen Transportwesen und im Energiesektor
• Reformen von Justiz und Bildungssystem
• Privatisierungen im Rahmen von 15 Mrd. Euro über drei Jahre
• Abschaffung von Steuererleichterungen, Bekämpfung der Steuerflucht (Obergrenze für Bartransaktionen)
• Überprüfung des Systems für Arbeitslosengeld
• Wiedereinführung einer Immobiliensteuer (10 Mrd. Euro), höhere Grundbuchbewertung
• Luxussteuer auf Yachten, Privatflugzeuge und hubraumschwere Autos
• Regierungschef Monti verzichtet auf Gehalt
• Zusatzinvestitionen in Infrastruktur, Senkung der Körperschaftsteuer
• Wachstumsprogramm „Cresci Italia“ für Januar 2012 angekündigt
• Liberalisierung des Arzneimittelhandels und der Taxidienste
• Kürzungen von Pensionen und Bezügen von Abgeordneten
Nun tobt in Italien der Streit, wie die Unternehmen zu retten und die Krise zu meistern sind. Die Gewerbetreibenden fordern Steuervergünstigungen und Konjunkturprogramme, Ökonomen eine umfassende Reform des Arbeitsmarktes und Gewerkschaften, die sozialen Sicherungssysteme auszubauen, um die Arbeitslosen aufzufangen. Einig sind sich die Italiener derzeit nur darin, dass Europa, dass insbesondere Deutschland, mehr für die Bekämpfung der Krise bezahlen muss.