Laufzeitverlängerung „Wir pachten Eure AKW“ – Polen macht Druck in deutscher Debatte

Die Bauruine von Polens einzigem Atomkraftwerk: Das in kommunistischer Zeit begonnene Projekt in Zarnowiec wurde nach der Katastrophe von Tschernobyl wegen Protesten aufgegeben. Quelle: dpa

Kernkraftwerke sind eine nationale Angelegenheit. Jedes Land wacht über seine Atompolitik. Doch weil Deutschland trotz Krise raus aus der Kernenergie will, gibt es aus Polen einen provokanten Vorschlag.

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Wenn Deutschland seine letzten drei Atomkraftwerke (AKW) abschaltet, könnte Polen diese Meiler dann nicht pachten? Mit dieser unorthodoxen Idee mischt sich die polnische Politik in die deutsche Debatte über eine Laufzeitverlängerung ein. Das östliche Nachbarland befürchtet, dass die durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verursachte Energiekrise in Europa ohne deutsche Kernenergie noch schlimmer werden könnte. Zunächst kam die Idee von der kleinen Linkspartei Lewica Razem, dann debattierte am Donnerstag auch der Europa-Ausschuss des polnischen Parlaments in Warschau darüber – und das obwohl ziemlich klar ist, dass der Vorstoß keine Chance hat.

„Wenn die Deutschen ihre Kernenergie nicht selbst nutzen wollen, sollten sie sie verpachten“, forderte die Razem-Abgeordnete Paulina Matysiak nach einem Besuch in Berlin. Die polnische Regierung solle der Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag machen. Deutsche AKW sollten weiterlaufen „zum Wohle der Sicherheit Europas und des Klimas“, schrieb Parteichef Adrian Zandberg auf Twitter.

Zum Jahresende sollen die drei noch verbliebenen Kraftwerke – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 - vom Netz gehen. Polen wiederum hat kein Atomkraftwerk. Ein erster Anlauf zur eigenen Kernenergie mit sowjetischer Technik wurde 1989 abgebrochen. Neue Pläne sehen vor, dass 2033 nördlich von Danzig ein Kraftwerk ans Netz gehen soll.

Während in Deutschland die Debatte um die Laufzeitverlängerung tobt, hält sich Frankreich mit seinen mehr als 50 Atomkraftwerken für unantastbar. Doch jetzt droht auch dort eine Energiekrise.
von Karin Finkenzeller

„Die Pacht ist nur ein Schlagwort“, sagte der Experte Aleksander Sniegocki der Zeitung „Gazeta Wyborcza“. „Sie soll die Aufmerksamkeit auf ein Problem lenken, denn natürlich gibt es nicht die kleinste Chance, dass Polen ein Kernkraftwerk pachten oder irgendwie nutzen könnte.“ Es sei nur schwierig, die deutsche Politik zu verstehen. Die Zeitung kommentierte, derzeit sei „jedes Megawatt Gold wert“. Doch unbeirrt hielten die Deutschen an alten Beschlüssen fest, auch wenn sich die Umstände geändert hätten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weist dagegen immer wieder darauf hin, dass der hauptsächliche Mangel nicht beim Strom droht, sondern bei Gas und Wärme für die Industrie – und Atomkraftwerke dafür keine Abhilfe schaffen.

In den polnischen Ärger, der sich in der Ausschuss-Debatte zeigte, mischt sich vieles: der Unmut über den deutschen Alleingang bei der Gasversorgung aus Russland mit den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2; die polnische Sorge um die eigene Stromversorgung auf dem europäischen Markt – und auch Lust an Provokation in Richtung Berlin.

Natürlich sei der Vorschlag einer AKW-Pacht ungewöhnlich, sagte der Razem-Abgeordnete Maciej Konieczny. Er solle die in seiner Sicht absurde Lage in Deutschland veranschaulichen. Zugleich sprach der Oppositionspolitiker von einem „attraktiven Angebot an die Regierungspartei“, die nationalkonservative PiS: „Polen sollte sich bereit erklären, diese Anlagen zu übernehmen, um das Klima und die Energiesolidarität zu retten.“

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Aus dem deutschland-kritischen Regierungslager befürwortete der Abgeordnete Janusz Kowalski (Solidarna Polska) den Vorschlag. „Das Problem der deutschen politischen Debatte ist ganz einfach: Sie sind unfähig, ihren Fehler einzugestehen und einen Rückzieher zu machen.“

Lesen Sie auch: Bei der Atom-Debatte brauchen wir umfassenden Pragmatismus

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