Legalisierung light Italiens versehentlicher Cannabis-Boom

Ein Plakat wirbt für eine „Cannabis“-Filiale des italienischen Unternehmens „Easy Joint“. Quelle: dpa

Rom könnte ein zweites Amsterdam werden. Zumindest hoffen das Cannabis-Freunde. Möglich macht das eine Gesetzeslücke bei der Regulierung von Hanfpflanzen. Doch die Sache hat einen Haken.

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Ein Einmachglas mit Marihuana - darüber die Worte „Jetzt darfst du“ - ziert ein Werbeplakat der Firma Easy Joint nur wenige Meter neben dem Pantheon in Rom. Mit dem Verkauf von „Cannabis Light“-Produkten machte das italienische Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Euro Jahresumsatz. Nur: Der Genuss von Cannabis ist in Italien auch weiterhin verboten.

„Wir sind eher eine institutionelle Provokation als ein unternehmerisches Vorhaben“, sagt Firmengründer Luca Marola, lautstarker Befürworter einer Legalisierung von Cannabis. „Wir wollen das an die Öffentlichkeit bringen.“ Die Idee kam ihm durch ein Hanf-Gesetz. 2016 regelte Italien den Anbau und Verkauf der traditionellen Nutzpflanze, deren lateinischer Name Cannabis lautet. Erlaubt sind dort allerdings nur Sorten, die eine sehr geringe Menge des berauschenden Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Der Rest bleibt wie in Deutschland bis auf medizinische Ausnahmen verboten.

Marola entdeckte eine Lücke: In dem Gesetz steht nichts über die Blüten der Pflanze, die bei Cannabissorten getrocknet als Marihuana geraucht werden. Also nahm er an, dass Anbau und Verkauf von Hanfblüten ebenfalls erlaubt seien, und er begann, sie über Easy Joint zu vertreiben. Rund ein Jahr nach seiner Gründung liefert das Unternehmen etwa 80 Prozent der Hanfblüten, die in Italien verkauft werden. Hunderte „Cannabis Light“-Geschäfte öffneten im ganzen Land.

Der Erfolg ist nicht sehr überraschend: Beim Pro-Kopf-Konsum von Cannabis liegt Italien EU-weit an zweiter Stelle hinter Dänemark. Etwa 33 Prozent der Italiener hätten die Droge mindestens einmal in ihrem Leben probiert, hieß es in den im Mai veröffentlichten Zahlen der EU-Drogenaufsichtsbehörde. In Deutschland sind es rund 27 Prozent. Doch das Kifferglück hat einen Haken: Die THC-armen „leichten“ Joints haben zwar immerhin einen hohen Anteil des Inhaltsstoffs Cannabidol (CBD) - der berauscht zwar nicht, wirkt aber entspannend. Doch wer seine legal gekaufte Packung „Cannabis Light“ öffnet, verstößt schon gegen das Gesetz: Die Produkte dürfen nur „für Forschung und Entwicklung, technische Nutzung oder Sammlung“ genutzt werden.

Ernst nehmen das die meisten Kunden offenbar nicht. Wer eine Verkäuferin in einem „Cannabis Light“-Laden in Rom nach den offiziellen Anweisungen fragt, erntet eine ironische Antwort. Außerdem, berichtet sie, boome das Geschäft - teils durch Touristen: „Es kommen jede Menge, sie müssen davon im Internet gelesen haben.“

Doch dass Rom in absehbarer Zeit die Nachfolge Amsterdams als neuer Hotspot für Gras-Liebhaber antritt, ist nicht nur mangels Rauschs unwahrscheinlich. „Cannabis Light“ sei weder sicher noch legal, heißt es in einem Bericht externer Gutachter für das italienische Gesundheitsministerium. Allerdings gebe es bislang auch keine Not, die ein Verbot rechtfertige, sagte Ministerin Giulia Grillo der Tageszeitung „La Stampa“. Familienminister Lorenzo Fontana versprach dagegen eine strengere Linie. Er habe in Amsterdam einen Joint probiert, das habe ihm gereicht, erzählte der rechtspopulistische Politiker in einem Interview: „Legalisierung ist nicht der richtige Weg.“

Die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft widerspricht: Cannabis zu kriminalisieren sei sinnlos, weil es so alltäglich wie Alkohol und Tabak geworden sei, sagt die Behörde seit Jahren. Der Staat solle seine Ressourcen in der Kriminalitätsbekämpfung für „ernsthaftere und besorgniserregendere“ Probleme einsetzen. Gelegentlich kommt es zu Razzien in „Cannabis Light“-Geschäften. Erst vergangenen Monat wurden zwei Geschäfte in der Provinzhauptstadt Macerata geschlossen und ihr Besitzer wegen Drogenhandels festgenommen. Die aktuelle Situation sei „ein bisschen bizarr“, sagt der Unternehmer und Legalisierungsaktivist Marola. Aber alles, was Cannabis-Nutzer sichtbar mache, sei gut, meint er.

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