
Ein modern gestyltes Fernsehstudio, zugeschaltete junge Europäer und ein EU-Kommissionschef mit grauem Anzug und blauer Krawatte: José Manuel Barroso nimmt sich in der Sendung „iTalk“ 30 Minuten Zeit für die Anliegen von Internetnutzern.
Der Portugiese sitzt auf einer offensichtlich unbequemen weißen Sitzbank und spricht auf dem Internetkanal YouTube und beim TV-Sender Euronews live über Eurokrise, Jugendarbeitslosigkeit, Bankenaufsicht und sein Lieblingsvorhaben, den europäischen Staatenbund. Das sind die klassischen Dauerbrenner, die auch in Brüsseler Bürotürmen oder im Europaparlament debattiert werden.
Barroso antwortet auf Englisch - seine Beiträge sind ausführlich - doch sie unterscheiden sich wenig von seinen Statements in der Kommission oder in der europäischen Volksvertretung. „Wir sind jetzt näher an einer Lösung als noch vor einem Jahr“, resümiert der 56-Jährige. Auf Hintergründe der Erleichterung im Eurogebiet - wie den Anleihenkauf durch die Europäische Zentralbank - kann er aus Zeitgründen nicht eingehen.
Was Barroso will
möglichst umfassend, inklusive Einlagensicherung
mit gemeinsamer Haftung, zumindest Schuldentilgungsfonds
mit gemeinsamen Projektbonds für Infrastruktur
Barroso gewinnt der schweren Krise, in der sogar das Auseinanderbrechen der Eurozone möglich schien, noch etwas Positives ab. Europa sei jetzt in aller Munde: „In den Cafés in Athen, da wird jetzt oft über Deutschland diskutiert, und in Deutschland, da diskutiert man über Griechenland - und das tun nicht nur die Eliten. Das heißt, es gibt eine Diskussion.“
Mit einem aufwendigen Video warben die Barroso-Behörde und Euronews tagelang für die Fragestunde. Rund 85.000 Mal wurde der Film auf YouTube angeklickt. Drei ausgewählte junge Europäer wurden dann in der Sendung mit der Videochat-Technik „Hangout“ des Netzwerks „Google+“ zugeschaltet. Mehrere hundert hatten zuvor ihre Anliegen per Video oder schriftlich eingereicht.





Nach einer Viertelstunde will Euronews-Moderator Alex Taylor wissen, was Barroso jungen Arbeitslosen rät. „Zuerst einmal versuchen, einen Job im eigenen Land zu finden“, lautet die Antwort. Barroso empfiehlt, in die eigene Ausbildung zu investieren oder auch die Stellensuche auf ganz Europa auszudehnen. Eine „magische Lösung“ habe er aber auch nicht in der Tasche. Ab und zu werden Fragen von außen zugelassen. „Das ist ja wie beim Eurovision Song Contest“, scherzt Euronews-Moderator Alex Taylor.
Vergleichbare Stimmung wie bei dem bekannten Musikwettbewerb kommt allerdings nicht auf. Am Ende reagieren zahlreiche Zuschauer enttäuscht. Auf YouTube bekommt das Video am Donnerstag mehr negative als positive Bewertungen. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter mäkeln einige Nutzer. „Technisch hat mir die Show gefallen“, schreibt einer von ihnen. „Aber diese Fragen... mhm.... zu lasch!“