Lotto, das Milliardengeschäft Wie Bund und Länder beim Glücksspiel kassieren

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Der Streit um den Online-Markt

Christoph Schmidt trägt Jeans zum Sakko und setzt sich mit einem dynamischen Hallo an den großen Besprechungstisch in seinem Münchner Büro. An der Wand hinter ihm hängt ein altes Stadionposter, darunter steht ein Tischkicker. Schmidt ist Geschäftsführer der ODS. Das Kürzel steht für Oddset Deutschland Sportwetten, einer Gesellschaft, an der Lotto-Bayern, Westlotto und weitere Lotto-Gesellschaften beteiligt sind.

Schmidts Aufgabe: Er soll mit ODS dafür sorgen, dass die staatliche Oddset-Sportwette nicht mehr nur in Kiosken angeboten wird, sondern auch im Internet. Im Juli 2011 wurde ODS gegründet. 23 Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen. Doch bis heute hat ODS im Internet keine einzige Sportwette vermittelt.

Die höchsten Lottogewinne aller Zeiten
Der bislang unbekannte Spieler aus Tschechien knackte mit seinen sieben richtigen Zahlen den bisherigen Rekordgewinn im Eurojackpot von 61,2 Millionen Euro aus dem Jahr 2014. Von dem Geld könnte der Gewinner etwa 75.000 Mal um die Welt oder zusammen mit vier Freunden ins All fliegen. Quelle: dpa
491 Millionen:Der mit 656 Millionen Dollar – nach damaligem Kurs rund eine halbe Milliarde Euro – bisher größte Jackpot der Lotto-Geschichte wird Ende März 2012 in den USA geknackt. Die Rekordsumme der Lotterie Mega Millions mussten sich drei Spieler aus den US-Bundesstaaten Kansas, Maryland und Illinois teilen. 18 Ziehungen in Folge hatte es niemand geschafft, den Jackpot zu knacken. Daraufhin war in den USA ein wahres Lottofieber ausgebrochen, mit langen Schlangen an Tankstellen und Zeitungsständen. Quelle: AP
454 Millionen:Im Mai 2013 räumt eine 84-Jährige aus Florida bei der US-Powerball-Lotterie mehr als 590 Millionen Dollar ab. Da man die volle Gewinnsumme in den USA aber nur erhält, wenn sie über mehrere Jahre ausbezahlt wird, entschied sich die hochbetagte Gewinnerin für eine Einmalzahlung von "nur" 370.000 Dollar. Quelle: REUTERS
190 Millionen:Der bislang höchste Einzelgewinn in Europa geht im August 2012 an das Ehepaar Adrian und Gillian Bayfort aus England. Sie hatten in der Mehrländerlotterie EuroMillions gewonnen. Wegen des schwachen Wechselkurses wurden damals allerdings "nur" 148,6 Pfund ausgezahlt. Quelle: dpa
185 Millionen:Ein Jahr zuvor hatte das schottische Ehepaar Chris und Colin Weir 185 Millionen Euro gewonnen, damals rund 161.000 Pfund. Daher gilt der Gewinn des Weir-Ehepaars in Großbritannien als höchster Gewinn. Den Glückspilzen bescherte der Geldregen damals einen Platz unter den 30 reichsten Schotten.
58,7 Millionen:Die richtige Zahlenkombination macht im Dezember 2014 einen Handwerker aus Hessen beim Eurojackpot um knapp 60 Millionen Euro reicher. Der Mittezwanziger gewann mit seinen persönlichen Glückszahlen: 11, 25, 32, 42 und 47 sowie die beiden Zusatzzahlen 4 und 9. Es ist der bisher höchste Lottogewinn, der jemals in Deutschland ausgeschüttet wurde. Quelle: dpa

Wie es dazu kommen konnte? Schmidt schüttelt den Kopf: „Das kann man eigentlich niemandem erklären“, sagt er, um schließlich doch einen Versuch zu starten. Im Grunde, so Schmidt, seien die Weichen schon vor einer Dekade gestellt worden, als das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass ein Glücksspielmonopol nur dann zulässig sei, wenn es sich konsequent an der Spielsuchtbekämpfung orientiert.

Das Urteil löste in den Staatskanzleien der 16 deutschen Bundesländer Entsetzen aus. Im Schnelldurchgang zimmerten die Politiker einen Glücksspielstaatsvertrag, der ihnen weiter die Hoheit über Spieltische und Annahmestellen sichern sollte. Die Eindämmung der Spielsucht galt fortan als oberstes Credo des staatlichen Glücksspielwesens. Werbung für Lotto, Oddset und Co. wurde radikal eingeschränkt, und alle Onlineangebote wurden aus dem Spielbetrieb verbannt.

Allein, die Spieler spielten nicht mit. Sie pokerten, wetteten und daddelten trotz der Onlineprohibition weiter im Netz – nur eben nicht mehr auf deutschen Internetseiten. Zudem erwies sich der Staatsvertrag als europarechtlich nicht haltbar. Erneut mussten die Länderchefs ran.

Online-Käufer von Sportwetten und Lottospielen

Sie verständigten sich Ende 2011 auf Änderungen, die eine homöopathische Öffnung des Marktes vorsahen. Für eine Testphase von sieben Jahren sollten bundesweite Sportwettenkonzessionen an bis zu 20 Firmen vergeben werden. Auch ODS bewarb sich. „Wir waren euphorisch, bald loslegen zu können“, erinnert sich Schmidt.

Doch die Begeisterung verflog, als abgelehnte Bewerber gegen die Spielverderber vom Amt vor Gericht zogen und gegen die starre Begrenzung auf 20 Anbieter klagten. Das Verfahren entwickelte sich zu einem bürokratischen Monstrum und wurde schließlich von Gerichten gestoppt. Die Folge: Bis heute wurde keine einzige Konzession erteilt.

Angesichts des drohenden EU-Verfahrens starten die Länderchefs nun den nächsten Versuch, um das verkorkste Verfahren zu retten. Ihr Plan: Statt 20 sollen bis zu 40 private Anbieter Konzessionen erhalten. Player wie ODS, die im ersten Durchgang die Mindestvoraussetzungen bei der Auswahl erfüllt haben, dürfen mit einer vorläufigen Erlaubnis rechnen.

Ob das die Probleme löst? „Jede willkürlich festgelegte Zahl an Konzessionen ist eine Einladung an alle abgelehnten Bewerber, gegen das Verfahren zu klagen“, sagt der Heidelberger Jurist Jörg Hofmann. Ähnliche Bedenken äußert die hessische Landesregierung und fordert statt der Erhöhung der Konzessionen einen neuen gesetzlichen Rahmen für den gesamten Glücksspielmarkt. Andernfalls „würden wir dann aus dem Glücksspielstaatsvertrag aussteigen“ und „ein eigenes Glücksspielgesetz in Hessen“ auf den Weg bringen, kündigt Innenminister Peter Beuth an.

Werden sich die anderen Länder darauf einlassen? Hessens Lotto-Chef Sundermann hat daran Zweifel. Die Politik würde auf Zeit spielen. In vielen Bundesländern laute das Motto: „Nach mir die Sintflut.“

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