Christoph Schmidt trägt Jeans zum Sakko und setzt sich mit einem dynamischen Hallo an den großen Besprechungstisch in seinem Münchner Büro. An der Wand hinter ihm hängt ein altes Stadionposter, darunter steht ein Tischkicker. Schmidt ist Geschäftsführer der ODS. Das Kürzel steht für Oddset Deutschland Sportwetten, einer Gesellschaft, an der Lotto-Bayern, Westlotto und weitere Lotto-Gesellschaften beteiligt sind.
Schmidts Aufgabe: Er soll mit ODS dafür sorgen, dass die staatliche Oddset-Sportwette nicht mehr nur in Kiosken angeboten wird, sondern auch im Internet. Im Juli 2011 wurde ODS gegründet. 23 Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen. Doch bis heute hat ODS im Internet keine einzige Sportwette vermittelt.
Wie es dazu kommen konnte? Schmidt schüttelt den Kopf: „Das kann man eigentlich niemandem erklären“, sagt er, um schließlich doch einen Versuch zu starten. Im Grunde, so Schmidt, seien die Weichen schon vor einer Dekade gestellt worden, als das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass ein Glücksspielmonopol nur dann zulässig sei, wenn es sich konsequent an der Spielsuchtbekämpfung orientiert.
Das Urteil löste in den Staatskanzleien der 16 deutschen Bundesländer Entsetzen aus. Im Schnelldurchgang zimmerten die Politiker einen Glücksspielstaatsvertrag, der ihnen weiter die Hoheit über Spieltische und Annahmestellen sichern sollte. Die Eindämmung der Spielsucht galt fortan als oberstes Credo des staatlichen Glücksspielwesens. Werbung für Lotto, Oddset und Co. wurde radikal eingeschränkt, und alle Onlineangebote wurden aus dem Spielbetrieb verbannt.
Allein, die Spieler spielten nicht mit. Sie pokerten, wetteten und daddelten trotz der Onlineprohibition weiter im Netz – nur eben nicht mehr auf deutschen Internetseiten. Zudem erwies sich der Staatsvertrag als europarechtlich nicht haltbar. Erneut mussten die Länderchefs ran.
Online-Käufer von Sportwetten und Lottospielen
Für die Inanspruchnahmen von Dienstleistungen sind Online-Plattformen gefragt wie nie. Dieser Trend macht auch bei Wetten keinen Halt. 2013 haben 2,01 Millionen Menschen Sportwetten über das Internet abgeschlossen oder online Lotto gespielt.
Quelle: IfD Allensbach
Die Tendenz ist steigend. Ein Jahr später (2014) haben bereits 2,5 Millionen User ihr Glück online versucht.
Im vergangenen Jahr haben sogar noch mehr Menschen online Lotto gespielt oder Sportwetten abgeschlossen - nämlich 3,06 Millionen in ganz Deutschland.
Sie verständigten sich Ende 2011 auf Änderungen, die eine homöopathische Öffnung des Marktes vorsahen. Für eine Testphase von sieben Jahren sollten bundesweite Sportwettenkonzessionen an bis zu 20 Firmen vergeben werden. Auch ODS bewarb sich. „Wir waren euphorisch, bald loslegen zu können“, erinnert sich Schmidt.
Doch die Begeisterung verflog, als abgelehnte Bewerber gegen die Spielverderber vom Amt vor Gericht zogen und gegen die starre Begrenzung auf 20 Anbieter klagten. Das Verfahren entwickelte sich zu einem bürokratischen Monstrum und wurde schließlich von Gerichten gestoppt. Die Folge: Bis heute wurde keine einzige Konzession erteilt.
Angesichts des drohenden EU-Verfahrens starten die Länderchefs nun den nächsten Versuch, um das verkorkste Verfahren zu retten. Ihr Plan: Statt 20 sollen bis zu 40 private Anbieter Konzessionen erhalten. Player wie ODS, die im ersten Durchgang die Mindestvoraussetzungen bei der Auswahl erfüllt haben, dürfen mit einer vorläufigen Erlaubnis rechnen.
Ob das die Probleme löst? „Jede willkürlich festgelegte Zahl an Konzessionen ist eine Einladung an alle abgelehnten Bewerber, gegen das Verfahren zu klagen“, sagt der Heidelberger Jurist Jörg Hofmann. Ähnliche Bedenken äußert die hessische Landesregierung und fordert statt der Erhöhung der Konzessionen einen neuen gesetzlichen Rahmen für den gesamten Glücksspielmarkt. Andernfalls „würden wir dann aus dem Glücksspielstaatsvertrag aussteigen“ und „ein eigenes Glücksspielgesetz in Hessen“ auf den Weg bringen, kündigt Innenminister Peter Beuth an.
Werden sich die anderen Länder darauf einlassen? Hessens Lotto-Chef Sundermann hat daran Zweifel. Die Politik würde auf Zeit spielen. In vielen Bundesländern laute das Motto: „Nach mir die Sintflut.“