Mafiöse Strukturen Kriminelle nutzen Spanien als Geldwäsche-Paradies

Spanien wird zur Drehscheibe der internationalen Geldwäsche. Der jüngste Skandal um die pleite gegangene Banco Madrid wirft viele Fragen über spanische Kontrollen auf.

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Spanien ist ins Visier von Geldwäschern geraten Quelle: dpa Picture-Alliance

"Wieviel Geld willst du am Tag waschen?", fragt Mauricio Escribano, ein Angestellter des Bankhauses Banca Privada d'Andorra (BPA). "Sehr viel", sagt der ihm gegenüber sitzende chinesische Mafiosi Yong Jun Yang lachend. Das ganze spielt sich in einem Büro der Bank ab, die in Madrid seit 2011 die Privatbank Banco Madrid kontrolliert. Escribano, der bei den Verhandlungen eine chinesische Übersetzerin - ebenfalls Angestellte der Bank - zur Seite hat, erklärt: "Ok, das läuft dann so. Du lässt die Hälfte auf dem Konto bei uns für eine Zeit und die andere überweisen wir nach China."

Geldwäsche in der Schweiz oder Panama? Nein, in Andorra scheint es viel einfacher zu sein. Auch im benachbarten Spanien oder Gibraltar, wo man dieselbe Sprache spricht, man günstig an Drogen aus Nordafrika und Lateinamerika kommt und die "Cosa nostra" den Urlaub an der spanischen Levante oder Costa del Sol noch gleich dranhängen kann. Geografische Lage, der Immobilienboom und Touristenströme haben Spanien in den vergangenen Jahren zu einem Drehkreuz für internationales Verbrechen gemacht.

Der Schriftsteller, italienische Politiker und Mafia-Bekämpfer Francesco Forgione glaubt, dass allein 18 Clans der italienischen Mafia auf der Iberischen Halbinsel ansässig sind. Denn Hotelwirtschaft und Gastronomie sind besonders gut geeignet, um Geld aus Drogenhandel und Prostitution zu waschen. "Die Kontrolle ist sehr schwierig bei den Millionen von Menschen, die Jahr für Jahr nach Spanien kommen, und den vielen ausländischen Residenten", sagt Forgione.

Wissenswertes über Spanien

Allerdings werden die Kapitalverbrechen meist woanders ausgeführt. Auf der Iberischen Halbinsel arbeiten russische, chinesische und italienische Mafia zusammen, wenn es um die Abwicklung der Geldgeschäfte geht. Das wird ihnen auch zum Verhängnis. Denn wieder einmal wurden bei der gerade aufgeflogenen Geldwäsche-Maschine BPA in Andorra und Madrid die schmutzigen Geschäfte von außen aufgedeckt. BPA-Chef Joan Pau Miquel Prats wird vorgeworfen, Geldwäsche betrieben und Verbindungen zur russischen und chinesischen Mafia unterhalten zu haben. Das Financial Crimes Enforcement Network (FinCen) in den USA gab die Hinweise.

Banco Madrid als Schleuse für Millionen

Nach dessen Untersuchungen arbeitete die russische Mafia mit der BPA Hand in Hand, um große Geld-Operationen durchzuführen. Dafür gründete sie in Spanien Scheinfirmen, um Koffer voller Scheine durchzuschleusen. Auf dem Weg nach Andorra soll der Drahtzieher, der Russe Andrei Petrov, die Banco Madrid, die auch Filialen in anderen Steuerparadiesen wie der Schweiz, Panama und Luxemburg besitzt, als Transporthilfe für 56 Millionen Euro genutzt haben.

Die Banco Madrid mit 15.000 Kunden ist nun pleite, nachdem viele Kunden nach den Geldwäsche-Vorwürfen gegen das Mutterhaus BPA ihre Konten geleert hatten.

Nach Angaben des spanischen Innenministeriums sind die Spanier jedoch selbst kaum direkt in internationale Verbrechen verwickelt. Im Jahr 2013 machten sie nur 18 Prozent der rund 500 detektierten Gruppen auf ihrem Territorium aus. Allerdings fungieren Beamte beim Zoll, Polizisten und Bankangestellte als Handlanger. Dazu gehört auch der 2012 festgenommene Unternehmer Rafael Pallardó. Er war die Vertrauensperson des ebenfalls vor drei Jahren festgesetzten chinesischen Mafiabosses Gao Ping. Der Katalane hat ihn unter anderem mit den richtigen Finanzleuten, darunter auch Angestellte der BPA in Andorra, in Kontakt gebracht.

Nach Ansicht des spanischen Anwalts Enrique Campos, der nach eigenen Aussagen über Familienunternehmen selbst Opfer des Treibens internationaler Banden in Spanien geworden ist, wäscht der spanische Staat indirekt mit: "Anders kann man sich nicht erklären, dass Spanien bei Haschisch und Kokain immer noch der Umschlagsplatz Nummer eins ist in Europa. Auch Machtzirkel wie die katholische Prälatur Opus Deí machen bei der Geldwäsche mit."

Die Impulse müssen aus Rom kommen

Auch andere nennen den in Spanien gegründeten extrem rechten Zweig der katholischen Kirche und die mancherorts auch als Sekte deklarierte Vereinigung immer wieder im Zusammenhang mit internationalen Mafiabanden. "Sie sind die größten Verbrecher und definitiv Handlanger vieler krimineller Banden hier in Spanien", sagt Antonio Biondini, italienischer Unternehmer und Partner von Aureo Advisors mit Sitz in Madrid.

Er weiß, wovon er spricht. Biondini ist verheiratet mit einer Tochter der Familie Ruíz Mateos, deren inzwischen aufgelöster, mehrfach verklagter und verurteilter spanische Konzern Rumasa, mit zeitweise 700 Firmen, pflegte enge Verbindungen zum Opus Deí. Biondini hat inzwischen auch den Vatikan über die seiner Meinung nach vielen illegalen Mafia-Machenschaften der Prälatur in Spanien informiert: "Das kann nur von Rom ausgemerzt werden."

Auch der spanische Rechtsanwalt und Richter Magí Ribas Alegret glaubt, dass die Justiz seines Landes an den entscheidenden Stellen von den Ultra-Konservativen kontrolliert wird: "Opus Deí ist eine Machtstruktur, mit Religion hat das wenig zu tun."

Dass sich in Spanien solche Machtstrukturen mit politischer Korruption und Bankenaufsicht mischen, hat sich auch nach der schwersten Wirtschafts- und Gesellschaftskrise der jüngsten spanischen Geschichte nicht geändert. Die Regierung ist in einen Skandal um illegale Parteifinanzierung mit Millionen-Konten in der Schweiz verwickelt. Vor wenigen Monaten wurden mehrere Politiker im ganzen Land festgenommen, weil ihnen vorgeworfen wird, dass sie wie eine Mafiabande unter anderem Geld von Bauunternehmen eingetrieben haben. Dabei scheinen die Skrupel fast grenzenlos zu sein.

Vor Zusammenbruch wirkte Banco Madrid solide

Der Ex-Chairman der Pleite-Bank Banco Madrid, José Pérez, war in den Neunzigerjahren Chef-Inspektor der spanischen Bankenaufsicht. "Wenn er nichts gewusst hat oder haben will, was in seinem Geldhaus vor sich ging, dann hat er zumindest fahrlässig gegen seine Aufsichtspflichten verstoßen", sagt Georg Abegg, Geschäftsführer von Rödl & Partner in Spanien.

Aber vielleicht hat Pérez auch nur stolz auf die Bilanz geguckt. Auf den ersten Blick könnte man da denken, dass die Banco Madrid eines der liquidesten Geldhäuser Europas ist, mit einem scheinbar sehr rentablen Geschäftsmodell. Vor dem Zusammenbruch der Bank vor wenigen Tagen durch das Abheben von 172 Millionen Euro in nur 72 Stunden, kam das Geldinstitut auf 155 Millionen Euro ausgegebene Kredite und Einlagen in Höhe von 695 Millionen Euro. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer der Banco Madrid jahrelang die Doppelspitze der Geldwäscheanlagen Madrid-Andorra bildete und die Bankenaufsicht keinen Verdacht schöpfte - obwohl Andorra bereits mehrfach in anderen Korruptionsskandalen unter spanischen Politkern ins Blickfeld gerückt war - lässt viele Fragen offen. Mittlerweile sitzt Prats hinter Gittern.

Dank solcher Sicherheitslöcher ist Geldwäsche über Spanien ein internationales Geschäft geworden, bei dem vor allen anderen die Russen und Chinesen, die seit der Einführung des Euro massiv die spanische Küste belagern, den Ton angeben. Zwei der größten sind Gao Ping und Wen Hai. Gao Ping wurde 2012 festgesetzt. Er importierte chinesische Bazar-Ware nach Spanien und deklarierte weniger Wert, als in den Containern war.

Das dadurch entstandene Schwarzgeld floss in illegale Tätigkeiten wie Bestechungsgelder von Beamten und Scheinfirmen. Über die BPA ging dann ein Teil wieder zurück nach China. Vieler der Chinesen, die in Spanien in der Gastronomie arbeiten oder Kioske haben, funktionieren durch ihre häufigen Ein- und Ausreisen als Geldboten der Mafia.

Während die Chinesen in den spanischen Städten residieren, lassen sich die Russen und Italiener meist an der Küste nieder. Marbella ist ein Zentrum. In Gibraltar und Andorra wird das Geld gehortet, wovon spanische Hotels während des Immobilienbooms, teilweise auch mit Schwarzgeld, aufgekauft wurden, um dort ungestört Ferien für den Clan an der "Costa Nostra" zu organisieren.

Wo mit Geld Geld zu verdienen ist, vergisst so mancher die Moral. Der Bankangestellte Escribano aus dem Youtube-Video ist überrascht, als er hört, welche Mengen die chinesische Mafia über seine Bank waschen will. Woher das Geld kommt, wird da gar nicht mehr gefragt. Bei solchen Geschäften gibt es sogar Platz für Humor: "100 Millionen im Monat. Das können wir ohne Probleme machen. Wir sollten noch andere Banken dazu holen, dann kann es noch mehr sein." lacht er.

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