Margrethe Vestager Diese Frau lässt Google zittern

Die dänische Wettbewerbskommissarin macht ihrem Ruf als Eiserne Lady alle Ehre. Sie legt dem US-Internet-Giganten Google eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro auf – auch wenn ihr das Kritik von der anderen Seite des Atlantiks einbringen wird.

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Margrethe Vestager Quelle: REUTERS

Über eine empfindliche Geldstrafe war spekuliert worden. Aber EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager entschied sich am Schluss für eine mehr als doppelt so hohe Buße wie erwartet: 2,42 Milliarden Euro muss Google zahlen, weil es über Jahre seine dominante Position im europäischen Markt für Suchmaschinen ausgenutzt hat. Das ist die höchste Strafe, die die EU-Kommission je in einem Wettbewerbsfall verhängt hat. Google dürfte gegen die Entscheidung mit großer Wahrscheinlichkeit vor dem Europäischen Gerichtshof in Berufung gehen. 

Eine sichtlich gut gelaunte Vestager präsentierte die Ergebnisse der Untersuchung am Dienstag in Brüssel. In grelles Grün gekleidet machte sie klar, dass Google in absehbarer Zeit wieder von ihr hören werde. „Unsere vorläufige Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass Google Wettbewerbsrecht verletzt“, sagte Vestager über die zwei weiteren laufenden Wettbewerbsverfahren. Die betreffen das Betriebssystem Android und Googles Anzeigengeschäft.

Als Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia das nun abgeschlossene Verfahren gegen Google Shopping im November 2010 einleitete, war der US-Internetgigant fest entschlossen, eine Konfrontation mit der EU-Kommission zu vermeiden. Der damalige Google Executive Chairman Eric Schmidt verstand sich mit Almunia. Der Kontakt war so gut, dass Almunia sich mit einem regen Austausch von SMS brüstete, was Kritiker als einen Mangel an Unparteilichkeit bemängelten. Eine freiwillige Einigung mit Brüssel ohne Strafe scheiterte allerdings trotz der Verbrüderung, weil die Zugeständnisse von Google Brüssel nicht ausreichten. Statt dies öffentlich zu verkünden, verbreitete Almunia seine Kehrtwende damals in einer geheimen Pressekonferenz. Ihm war der Fall sichtlich entglitten.

Vestager übernahm das Dossier bei ihrem Amtsantritt als EU-Wettbewerbskommissarin im November 2014. Nachdem Google zuvor drei Angebote für einen Kompromiss abgegeben hatte, war auch klar, dass ihr keine andere Wahl blieb als eine Geldstrafe. Die Höhe der Strafe zeigt nun, dass Vestager Googles Vergehen als schwerwiegend einstuft. Indem sie selbst zwei weitere Verfahren gegen Google eröffnet hatte, unterstrich sie von Anfang an ihre Entschlossenheit, gegen den US-Giganten vorzugehen, wenn der gegen EU-Wettbewerbsrecht verstößt.

Vestagers hartes Vorgehen brachte ihr vor über zwei Jahren die Kritik des damaligen US-Präsidenten Barack Obama ein, der ihr unterstellte „Geschäftsinteressen“ europäischer Unternehmen zu vertreten. Als sie vermehrt US-Unternehmen wegen Steuerdeals unter die Lupe nahm, kam der Vorwurf im vergangenen Jahr erneut hoch. Finanzminister Jacob Lew kritisierte, dass die EU-Wettbewerbskommissarin Vestager, „unverhältnismäßig viele“ US-Unternehmen bei ihren Untersuchungen ins Visier nehme.

Mit ihrer Entscheidung, Google eine Rekordstrafe aufzuerlegen, nimmt Vestager transatlantische Missstimmung in Kauf. US-Präsident Donald Trump dürfte die Kritik der Vorgängerregierung wiederholen – wahrscheinlich auf deutlich weniger diplomatische Weise. Vestager lässt sich davon nicht schrecken, zumal sie von der anderen Seite des Atlantiks Unterstützung bekommt. Sieben Wettbewerber von Google, darunter News Corp, Oracle und Yelp, haben in einem Brief an Vestager ihren Kursen ausdrücklich gelobt. „Als US-Unternehmen wollen wir öffentlich unterstreichen, dass das Vorgehen gegen Google notwendig und angemessen ist“, heißt es in dem Schreiben.

Was Google Neues plant
GoogleI/O Quelle: AP
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Augmented RealityErweiterte Realität wird zum Beispiel helfen, das richtige Regal im Supermarkt zu finden – und zwar indem die Marschrichtung in das Kamerabild auf dem Smartphone-Display eingeblendet wird. Quelle: REUTERS
Android OAndroid O bekommt als diesjährige Version des meistbenutzten Smartphone-Betriebssystems unter anderem ausgeklügeltere Benachrichtigungen und einen Bild-in-Bild-Modus, wie man ihm vom Fernseher kennt. Quelle: REUTERS

Politisch wird sie von ihrer Entscheidung profitieren, weil ihr positive Schlagzeilen in der EU sicher sind, wenn sie sich mit einem US-Giganten anlegt. Vestager, zuvor Wirtschaftsministerin in Dänemark, hat in ihrer politischen Karriere gelernt, ihre Energie auf Themen mit Symbolcharakter zu lenken. Ihr Kampf gegen Steuervermeidung hat ihr in Europa viel Lob eingebracht. Dass sie gerade die unrühmliche Subventionierung von zwei italienischen Banken durchgewinkt hat, fällt dagegen kaum auf.

Googles Gang vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg dürfte von wenig Erfolg gekrönt sein. Seit den Siebzigerjahren hat der EuGH die Kartellstrafen der EU-Kommission allesamt bestätigt. Bis der EuGH eine Entscheidung trifft, wird es ohnehin dauern, ein Urteil wird erst weit nach dem Ende von Vestagers Amtszeit im Jahr 2019 fallen.

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