Markus Brunnermeier "Franzosen mit Schnellschüssen, Deutsche als Bremser"

Der Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier sieht in den ideologischen Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich eine Ursache für die Euro-Krise.

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Sind die ideologischen Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich eine Ursache für die Euro-Krise? Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche: Herr Brunnermeier, in Ihrem neuen Buch „The Euro and the Battle of Ideas“ machen Sie eine kulturelle Kluft zwischen Deutschen und Franzosen mitverantwortlich für die Euro-Krise. Wie kommen Sie darauf?

Markus Brunnermeier: Deutschland und Frankreich sind die größten und einflussreichsten EU-Staaten, haben aber komplett unterschiedliche Weltanschauungen. Die Deutschen pochen auf Regeln, weil sie das aus ihrer föderalen Geschichte gewohnt sind. Die Franzosen haben sich in ihrem zentralistischen Staat daran gewöhnt, dass der Politik immer ein Ermessensspielraum bleibt. Deutsche setzen auf Eigenverantwortung, Franzosen auf Solidarität. Deutsche plädieren in der Krise für einen Sparkurs, Franzosen für fiskalische Stimuli. Im Unterbewusstsein der Bevölkerung herrscht die Einstellung, dass Probleme stets auf eine ganz bestimmte Art gelöst werden müssen. Die unterschiedliche Denkweise hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu großen Missverständnissen geführt.

Zum Beispiel?

Wenn die französische Regierung bei Krisen schnell viele Vorschläge macht, dann tun das Beamte in Berlin gern als „Ad-Hockery“ ab, also als ein Konzert von Ad-Hoc-Maßnahmen. Die Deutschen glauben, dass die Franzosen mit ihren Schnellschüssen den regulatorischen Rahmen beschädigen und der EU so mittelfristig schaden. Die Franzosen halten im Gegenzug die Deutschen für Bremser und Bedenkenträger.

von Silke Wettach, Karin Finkenzeller

Welche Rolle spielen unterschiedliche ökonomische Denkweisen?

Das französische Modell ist in vieler Hinsicht nah am angelsächsischen – außer wenn es um die Rolle des Staates geht. In Frankreich ist der Staat immer präsent. In Deutschland spielt die Denkweise der „Political Economy“ eine große Rolle, die besagt, dass man unpopuläre Strukturreformen nur in der Krise durchsetzen kann. Franzosen argumentieren dagegen keynesianisch: Hier gelten Boomphasen als der richtige Zeitpunkt für Reformen – weil man dann Mittel hat, um Veränderungen abzufedern. Beide Sichtweisen ergeben übrigens Sinn. Es hängt davon ab, welche Aspekte man mehr betont.

Müssen die Deutschen französischer werden und die Franzosen deutscher, damit der Euro überleben kann?

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Politiker merken, dass sie auf die andere Seite zugehen müssen. Die Bundesregierung etwa beharrt nicht mehr so stark auf dem Sparkurs. So hat sie nicht auf Strafen für Portugal und Spanien gepocht.

Was viele Ökonomen für einen Fehler halten. Ist die Einhaltung von Regeln nicht der Grundstein für Vertrauen in die EU und ihre Institutionen?

In diesem Punkt bin ich sehr deutsch: Ich glaube, dass die EU ohne Regeln nicht überleben kann. Die Union hat eine föderale Struktur und diese braucht mehr Regeln als ein zentralistisches System. Aber diese Vorgaben müssen eben auch handhabbar sein.

Die Regeln des Stabilitätspakts zum Beispiel werden nicht eingehalten. Hat der Pakt noch eine Zukunft?

Der Stabilitätspakt wurde schon reformiert, aber dabei hätte man zusätzliche Aspekte berücksichtigen sollen. Wenn ein Land antizyklische Ausnahmen braucht, müsste man das flexibler handhaben können. Es ist nicht gut, strenge Regeln zu haben und die immer zu brechen. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit. Es ist besser, flexiblere Regeln zu vereinbaren, diese dann aber zwingend einzuhalten. Gleichzeitig sollte man den Rahmen so gestalten, dass man sich mehr auf Marktkräfte verlassen kann. Der beste Anreiz für gute Haushaltspolitik ist, wenn andernfalls höhere Zinsen für die Staatsanleihen drohen.

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