Diese Marktdisziplin ist aber in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch die Geldpolitik außer Kraft gesetzt worden. Was muss passieren?
Wir schlagen einen neuen Ansatz vor, die European Safe Bonds (ESBies). Die würden das Problem umgehen, dass aktuell das gesamte nationale Bankensystem in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn ein Staat seine Schulden umstrukturieren muss. Bei einer nur geringen Ansteckungsgefahr könnten Staatsschulden tatsächlich umstrukturiert werden – was die Marktdisziplin stärken würde.
Wie sollen die ESBies genau funktionieren?
Eine private oder öffentliche Agentur würde aus der Staatsschuld von 19 Ländern ein Portfolio zusammenstellen. Aus jedem Land dürften maximal Staatspapiere im Wert von 60 Prozent des BIP enthalten sein. Die Agentur würde zu 70 Prozent Senior Bonds und 30 Prozent Junior Bonds emittieren. Wenn ein Staat pleite geht, oder Schulden umstrukturiert werden, dann wird das vom Junior Bond aufgefangen. Der Senior Bond bleibt sicher.
Sie argumentieren aber auch, dass bei sehr großen Schocks die EU-Automatismen aufhören sollten.
Ja. Bei extremen Risiken sind Märkte nicht mehr selbststabilisierend und der Staat ist gefordert. Die EU-Mitgliedstaaten müssten sich aber einigen, ab welcher Größenordnung sie Schocks als extrem einstufen.
Sie schlagen auch eine Bankencharta vor. Wie soll die funktionieren?
Wir schlagen eine europäische Bankencharta vor, so dass die Banken in Europa einheitlich reguliert werden und Steuern in einen europäischen Haushalt einzahlen. Zur Zeit picken einige EU-Staaten die Rosinen. Sie holen sich mit attraktiven Steuervereinbarungen und laxer Regulierung den Bankensektor in ihre Länder und profitieren davon in guten Zeiten. In Zeiten der Krise sollen aber dann alle Staaten, also auch der deutsche Steuerzahler, die Verluste tragen. Wir denken, dass dies höchst unfair ist und wollen deshalb ein System, in dem nicht nur die Verluste, sondern auch die Vorteile in guten Zeiten europäisiert werden.
Was hat Sie beim Schreiben des Buches am meisten überrascht?
Ich habe viel gelernt. Die Wirtschaftsstrukturen von Deutschland und Frankreich sind sehr unterschiedlich, Frankreich hat mehr Großunternehmen. In Frankreich ist die Wirtschaftselite viel besser mit der politischen Elite verzahnt. Die besuchen alle dieselben Top-Universitäten. Anschließend leitet einer einen Großkonzern, der andere wird Politiker. In Deutschland muss sich dagegen der Politiker vom Kreisverband in die Bundespolitik hocharbeiten.
Wie haben Sie die Idee zu dem Buch bekommen?
Mein Ko-Autor Jean Pierre Landau war 2011 für ein Jahr in Princeton. Wir haben festgestellt, wie unterschiedlich unsere Sichtweisen waren. Wir fanden diese Divergenzen sehr aufschlussreich für alle, die Politik machen und haben beschlossen, das aufzuschreiben. Meine Diskussion mit Harold James machte mir klar, dass diese Unterschiede ohne geschichtlichen Kontext nur schwer zu verstehen sind. Wir haben vier, fünf Jahre an dem Thema gearbeitet. Wir haben beobachtet, dass viele in der Politik gar nicht wissen, woher die Unterschiede kommen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat als einer der wenigen schon sehr früh gemerkt, dass deutsche Ökonomen eine eigene Sichtweise haben.
Und wie sehen Sie nun die Zukunft des Euro?
Ich bin nicht so pessimistisch wie die meisten amerikanischen Ökonomen. Joseph Stiglitz etwa prognostiziert, dass der Euro auseinanderfliegen wird. Ich glaube eher: Wir werden uns zusammenraufen und zumindest langfristig eine gemeinsame Wirtschaftsphilosophie finden. Die Unterschiede zu erkennen, ist dazu der erste Schritt.