Unterlässt es die Bundesbank, in dieser Situation unter Berufung auf das Bundesbankgesetz und Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die selbstermächtigende Mandatserweiterung der EZB faktisch zu stoppen, droht ihr die politische Isolation. Dabei liefern die in flagranti rechtswidrigen Weisungen zum Anleihekauf unwiderlegbare juristische Argumente zu ihrer Verweigerung. Die Bundesbank kann nicht nur unter dem Schutzschirm der Legalität die Mittäterschaft an dem von Draghi und Co. organisierten Rechtsbruch verweigern. Bundesbank-Chef Jens Weidmann ist verpflichtet, die Durchführung künftiger Anleihekäufe abzulehnen. Gleiches gilt für die Verwässerung der Zulässigkeitskriterien für Kollaterale und für die Vergemeinschaftung der Gold- und Devisenreserven.
Einsame Neinstimme
Längst hätte die Bundesbank dieses Volksvermögen, das sie nur treuhänderisch für Rechnung aller Deutschen verwaltet, unter ihre Herrschaft schaffen müssen. Dennoch vertraut sie weiter auf die Banque de France, die Bank of England und die Federal Reserve. Weidmann scheint anzunehmen, dass alle fachlichen Kontroversen durch den Dialog zwischen Zentralbankern zu regeln sind. Jedenfalls hält er es in der Öffentlichkeit weiter mit Sachargumenten, weist auf die Grenzen des EZB-Mandats hin, während in Italien, Spanien und vor allem in Paris das Trommelfeuer der veröffentlichten Meinungen die Bundesbank politisch zu isolieren sucht.
Bereits die EZB-Ratssitzung Anfang August ließ die Taktik von Draghi und seiner Auftraggeber in Rom, Paris und Madrid überdeutlich werden: In Erwartung eines abweisenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts sollte getestet werden, ob der Widerstand der Bundesbank hält, um dann zum großen Schlag anzusetzen und die EZB zusammen mit dem Euro-Rettungsschirm zur Fiskalfeuerwehr, zum "buyer of last resort", und damit zum Wettbewerbsverfälscher auf den Staatsanleihenmärkten zu machen. Weidmann stand mit seiner Neinstimme allein. Als Koalitionspolitiker scheint er wenig Erfolg zu haben.
Niemand schert sich um Weidmann
Die Bundesbank befindet sich mit ihrem institutionellen Konzept seit der Euro-Krise in der Sackgasse. Mehr noch: Das Vertrauen der Bundesbank und ihres jungen Präsidenten auf den fachlichen Dialog in Kollegengesprächen müsste einer politischen Betrachtungsweise weichen. Die enge Sicht der Geldbeamten in der Wilhelm-Epstein-Straße wird nicht nur am Finanzplatz Frankfurt und in Teilen der Wissenschaft belächelt, sondern ebnet Draghi und Co. den Weg zum Sieg. Die Bundesbank und ihr Präsident können dann das Stabilitätslied weiter intonieren. Doch niemand wird sich darum scheren, weil Herrn Weidmann und seinen Beamten im entscheidenden Moment der Wille zur Macht fehlte.
Möge danach dem jungen Bundesbank-Chef mit den feinen Manieren bitte noch eine zweite Chance beschieden sein, um zu beweisen, dass er eine Führungspersönlichkeit mit Haltung ist, die einen Kontrapunkt zur Realitätsflucht seines Vorgängers zu setzen vermag. Wird Präsident Weidmann endlich doch den Mut aufbringen, die von der EZB beschlossenen rechtswidrigen Anleihenkäufe nicht auszuführen?