Es ist ein Erfolg für Matteo Renzi: Mitte April hat das italienische Abgeordnetenhaus den Weg für eine grundlegende Verfassungsreform freigemacht – und damit den Senat entmachtet.
Bislang mussten alle Gesetzesentwürfe durch beide Kammern, künftig soll der Senat nur noch in Ausnahmefällen Gesetzen zustimmen müssen, stellt die Regierung die Vertrauensfrage, dann stimmt künftig nur noch die Abgeordnetenkammer ab. Damit könnten politische Entscheidungen deutlich beschleunigt werden, der Senat wird aber de facto abgeschafft – und tritt nur noch dann in Erscheinung, wenn es um die italienischen Regionen geht.
Im neuen Senat sitzen künftig die gewählten Vertreter der Regionen und Bürgermeister. Das wären dann nur noch 100 Mitglieder. Bislang besteht der „Senato della Repubblica“ aus 315 Senatoren, hinzukommen noch die Abgeordneten auf Lebenszeit.
Wissenswertes über Italien
Das Klima und die mediterrane Küche sind wohl ausschlaggebend für die hohe Lebenserwartung der Italiener. In Europa führen sie die Liste aller OECD-Staaten an, weltweit belegen sie den zweiten Platz. Die Lebenserwartung beträgt bei Frauen circa 83 Jahre, bei Männern 78 Jahre. Ungefähr 19 Prozent der Italiener sind älter als 65 Jahre.
Dennoch ist auch im Stiefelstaat der Trend zum Übergewicht festzustellen. Italien hat der adipösen Gesellschaft den Kampf angesagt und so gibt es in Italien einige Krankenhäuser, die sich ausschließlich um fettleibige Patienten kümmern.
Der Süßwarenfabrikant Michele Ferrero ist der reichste Mann Italiens. Sein Vermögen wird auf 17 Milliarden Dollar geschätzt. Leonardo Del Vecchio, Gründer von Luxottica, folgt auf Rang zwei.
Die italienische Landwirtschaft spielt insgesamt keine große Rolle. In zwei Bereichen sind die Italiener dennoch Weltspitze: So produzierte das Land 2010 rund 44,8 Millionen Hektoliter Wein. Nur Frankreich stellt mehr Wein her. Außerdem ist Italien, nach Spanien, der zweitgrößte Erzeuger von Olivenöl.
Italiens Handelspartner befinden sich in direkter Nähe zu dem Land. Deutschland ist der wichtigste Partner, gefolgt von Frankreich. Italiens Produkte erfreuen sich besonders in Großbritannien, Spanien und den USA großer Beliebtheit. Importiert wird aus den Niederlanden, China, Libyen und Russland.
Eindeutig Brillen herstellen! Denn Luxottica, mit Sitz in Agordo (Provinz Belluno) ist der weltgrößte Brillenhersteller. Seit 1995 kauft das italienische Unternehmen US-Marken wie Ray-Ban und Oakley auf.
Mailand, Turin und Genua sind die größten Wirtschaftszentren Italiens. Sie sind Teil des europäischen Wirtschaftsraumes, der durch neun Länder führt und "Blaue Banane" heißt. Zentrale Einrichtungen der Europäischen Union und 20 Weltstädte befinden sich in der Zone. Hier sind die Bevölkerung, die Wirtschaft, das Kapital und die Infrastruktur sehr gut verwoben und bilden somit eine wirtschaftliche Achse Europas. Vergleichbar ist dieser Wirtschaftsraum mit BosWash in den USA.
Kuriose Gesetze sind in Italien keine Seltenheit. So müssen Hunde dreimal täglich Gassi gehen. Die Polizei darf sich bei den Nachbarn auch erkundigen, ob dies eingehalten wird. Hohe Geldstrafen sind ausgesetzt, wer sich nicht an die Gesetze halten will. Wer sich in der Lombardei abends auf einer Bank ausruhen will, muss sich vergewissern, dass nicht mehr als drei Personen Platz nehmen. Denn in einem öffentlichen Park ist dies streng reglementiert.
Italien ist das Land mit den meisten Welterbestätten. Italien ist in Besitz von 100.000 Denkmälern. Darunter befinden sich nicht nur Kirchen, Galerien und Schlösser. Auch archäologische Funde, Brunnen und Villen fallen unter den Denkmalschutz.
"Damit haben wir weniger Politiker und eine seriösere Politik", sagte Italiens Regierungschef Matteo Renzi unmittelbar nach der Abstimmung. Mit dieser Reform habe sich Italien vom schwächsten zum stabilsten Land Europas entwickelt, so seine Einschätzung.
Der Ministerpräsident sprach von einem „historischen Tag“. Die Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“ bezeichnete die Abstimmung am Mittwoch als „Sieg für die Regierung“. Das stimmt nur bedingt: In erster Linie würde es Matteo Renzi mehr Macht verleihen – und Raum dafür geschaffen, dass er seine politischen Vorhaben noch schneller umsetzen kann. Gleichzeitig sinkt seine Beliebtheit: Erst Anfang April musste er nach dem Rücktritt einer Ministerin wegen Ermittlung in einer Korruptionsaffäre aus seiner Regierung ein Misstrauensvotum überstehen, das die Opposition initiiert hatte.
Breite Mehrheit
Renzi gab sich betont kämpferisch: "Sie legen also zum x-ten Mal einen Misstrauensantrag vor. Wir werden ins Parlament gehen, ich hoffe, so schnell wie möglich", schrieb er auf seiner Website. Aber die Opposition ist sauer und blieb der Abstimmung über die Verfassungsreform aus Protest fern. Trotzdem votierten 361 Abgeordnete dafür und nur sieben dagegen.
Insgesamt sitzen in der Abgeordnetenkammer 630 Menschen, die Partei von Matteo Renzi, die Partito Democratico, verfügt über eine breite Mehrheit. Durch den Protest erhielt sie aber nicht die notwendige zwei Drittel-Mehrheit, die – wie auch in Deutschland – bei Verfassungsänderungen notwendig wird. Deshalb muss er nun eine extra Runde drehen. Im Oktober müssen die Italiener in einem Referendum darüber abstimmen.
Was dabei aber nicht vergessen werden darf: Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hatte sich der Senat quasi selbst entmachtet: 179 Senatoren stimmten damals für die Verkleinerung und die Einschränkung der eigenen Kompetenzen. Zwei Jahre lang hatte zuvor das Parlament über die Pläne diskutiert, die der zur linken Mitte zählende Ministerpräsident Matteo Renzi und seine Reformministerin Maria Elena Boschi auf den Weg gebracht hatten.
Der Regierungschef hat vom Ausgang der Abstimmung bereits seine politische Zukunft abhängig gemacht. Es ist nicht das erste Mal, dass Renzi im Vorfeld einer Abstimmung mit Rücktritt droht. 2015 wurde in Italien über das Wahlrechtsgesetz abgestimmt. Konkret ging es damals darum, der italienischen Regierungen zukünftig stabile Mehrheiten zu garantieren – und dem Land so Kontinuität zu verleihen.
Schließlich hatte das Land seit Kriegsende 62 Regierungen. Renzi bezeichnete es damals als eines der „wichtigsten Reformprojekte“. Im Falle des Scheiterns hatte er mit seinem Rücktritt gedroht. Am Ende gab es 334 Ja- und 61 Nein-Stimmen. Aber auch da: Der Ministerpräsident erhält deutlich mehr Macht. Für Italiens Demokratie bleibt zu hoffen, dass sich so nicht das komplette Regierungssystem in einen Transformationsprozess begibt und sich von einem Parlamentarismus, hin zu einem Präsidentialismus entwickelt.
Am Rande der Abstimmung über die Verfassungsreform wurde übrigens auch gleich noch der Wahlmodus für den Staatspräsidenten geändert. Das Staatsoberhaupt soll künftig in einer Geheimabstimmung von mindestens zwei Dritteln der Parlamentarier gewählt werden.
Wurde nach dem vierten Wahlgang noch immer keine Mehrheit erreicht, sind drei Fünftel der Abgeordneten ausreichend. Bislang wurde der Staatspräsident in einer gemeinsamen Sitzung von Senat und Abgeordnetenkammer gewählt – und nach dem dritten Wahlgang schon genügte die absolute Mehrheit.
Mit Material von dpa.