Michel Barnier Der Mann, der den Brexit aushandelt

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Offen und lernfähig

Detailprobleme wird es in den kommenden Monaten und Verhandlungen zwischen den Briten und der EU zuhauf geben. Doch Barnier weiß, dass er sich für die Details auf seine Fachleute stützen muss, das wird bei den Brexit-Verhandlungen nicht anders laufen als bei früheren kniffligen Reformen an den Finanzmärkten. „Als es eines Morgens um sechs um die Feinheiten bei der Abwicklungsrichtlinie ging, konnte er nicht mehr folgen“, sagt jemand, der im Raum war: „Er ließ seine Mitarbeiter ran.“

Barnier hat sich stets mit guten Leuten umgeben. Derzeit fungiert die Deutsche Sabine Weyand als seine Stellvertreterin, die für ihre Präzision und Gradlinigkeit in Brüssel bekannt ist.

Zudem kann der Chef-Verhandler von einem sorgsam gepflegten internationalen Netzwerk profitieren. Kanzlerin Angela Merkel kennt er aus jener Zeit, als beide Umweltminister ihrer Länder waren. Der Kontakt ist nicht abgebrochen; als Oppositionsführerin schaute Merkel später bei ihm in Brüssel zum Frühstück vorbei.

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Der abgewählten Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, half Barnier Anfang des Jahrtausends gar bei der Karriereplanung. Damals besuchte er als EU-Regionalkommissar die Zeche Zollverein in Essen, als Kraft, damals noch Europaministerin, einen Anruf vom damaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück erhielt, der ihr anbot, ins Wissenschaftsministerium aufzurücken. Kraft hing am alten Ressort, Barnier riet ihr zur neuen, wichtigeren Aufgabe: ein Karrieresprungbrett für Kraft.

Als „offen und lernfähig“ bezeichnet ein Vertrauter den Vater von drei erwachsenen Kindern. Im Alter von 60 Jahren begann er noch, sein Englisch aufzubessern, das er heute weit besser spricht als etwa sein deutscher EU-Kollege Günther Oettinger. Nicht gut genug, um die Verhandlungen auf Englisch zu führen. Aber gut genug, um Situationen mit ein bisschen Small Talk aufzulockern.

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Wenn aber selbst die guten Sprachkenntnisse in den kommenden Monaten mal versagen sollten und die Verhandlungen stocken, dürfte Barnier in die Sologne reisen, eine Region in der Mitte Frankreichs. Dort hat seine Frau ein Fachwerkhaus im Wald geerbt. Dort joggt Barnier regelmäßig zu einer mehr als 400 Jahre alten Eiche und berührt ihren mächtigen Stamm. Das entspannt und erdet ihn.

„Um Politik zu machen, muss man Menschen lieben und Bäume“, sagt Barnier. „Bäume lehren uns Bescheidenheit und Gelassenheit.“ Mit so viel vornehmer Souveränität sollte er selbst bei den Brexit-Briten punkten können.

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