Migration Spanien verliert seine Kinder

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Ausgaben für Forschung um 25 Prozent gekürzt

"Nicht unbedingt" erwidert Albert Sabater vom katalonischen Forschungszentrum an der Autonomen Universität Barcelona CED. "Wir befinden uns gerade am Anfang dieser Migrationswelle und wir wissen nicht, ob die Ausgewanderten nach einiger Zeit wiederkehren werden." Sabater ist skeptisch, er möchte nicht automatisch von einer Intelligenz-Abwanderung sprechen. "Es ist gut möglich, dass es sich um eine zirkuläre Migration handelt – Menschen gehen und kehren nach einer gewissen Zeit wieder". Außerdem: "Nicht alle Personen, die das Land verlassen, sind mit einem Hochschulabschluss gesegnet". Davon gibt es in Spanien auch reichlich. Die Quote derjenigen, die kein Hochschule besuchen oder frühzeitig die Schule abbrechen liegt bei 30 Prozent.

Wer sich um das heimische Wissenschaftspotenzial Sorgen mache, so Sabater, der soll lieber dafür sorgen, dass die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung langfristig wieder fließen. Diese hatte die Regierung in Madrid für 2012 im Vergleich zu 2011 bereits um 25 Prozent gestrichen. Für das kommende Jahr werden die Forscher weitere 15 Prozent der Gelder an den Sparmaßnahmen verlieren. "Ich würde zurzeit nicht nach Spanien gehen", sagte die Pharmakologin Nadezda Apostolova jüngst der Tageszeitung "El Pais". Apostolova kam vor zehn Jahren aus Mazedonien mit einem Stipendium zum Studieren nach Spanien.

Immer mehr Spanier lernen Deutsch

Nun verzichten viele auf die iberische Küche und die langen Madrider Nächte. Das Goethe-Institut in der spanischen Hauptstadt bekommt das direkt zu spüren. Seit 2010 ist die Zahl der Einschreibungen um 35 Prozent gestiegen, wie die Spracheinrichtung neulich verkündete. Zehn neue Deutschlehrer sind im vergangenen Jahr zum Institut gestoßen, das nun auch Kurse wie "Deutsch im Beruf" und "Meine Bewerbung für Deutschland" anbietet. Auch in Deutschland hat sich das gestiegene Interesse nach der deutschen Sprache bemerkbar gemacht. So haben die Carl Duisberg Centren (CDC) in ihren Sprachschulen in Berlin, Köln, München und Radolfzell am Bodensee seit Mitte letzten Jahres eine erhöhte Zahl von Teilnehmern aus Spanien registriert. Die Steigerung belaufe sich in diesem Zeitraum auf fast 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie ein Sprecher der CDC mitteilt.

Verständigungsprobleme wird der Jurist Martínez nicht haben. Auf seinen Forschungsaufenthalten in Deutschland hat er die Sprache gelernt. Und er hat Glück: seine Freundin ist eine Ingenieurin, die sich durchaus vorstellen könnte Deutschland zu ziehen. Wäre das Land in Zentraleuropa auch ein Ort für den Überflieger Muñoz? Das Land fällt nicht in seine engere Auswahl. Aber: "Wenn ich eine Bewerbung an BMW oder Audi schicke und die antworten, dann schaue ich mir das natürlich an".

Andere Akademiker in Spanien hatten nicht viel Zeit zu grübeln. Sie waren die ersten, die in der Krise ihre Jobs verloren haben. Und sie sind die Opfer des eigenen Erfolgs geworden: Nach den Zeiten der wilden Immobilienspekulation und dem Betonburgenboom, die jetzt zu Geistersiedlungen verkommen sind, sind Bauingenieure und Architekten in Spanien zurzeit überhaupt nicht mehr gefragt.

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