Migrationspartnerschaften mit Afrika Wie die EU Einwanderung drosseln will

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Wie ein Türkei-Abkommen für Nordafrika aussehen könnte

Immer wieder wird auch darüber diskutiert, Asylverfahren direkt in afrikanischen Ländern durchzuführen. Die Idee klingt reizvoll: Niemand muss den gefährlichen Weg über das Mittelmeer wagen und erfährt in einem europäischen Asyl-Camp in einem nordafrikanischen Land, ob er in die EU als anerkannter Flüchtling einreisen darf. Für Knaus ist das eine Scheindebatte. „Welche EU-Asylmitarbeiter sollen Asylverfahren in Nordafrika machen, wenn es schon nicht gelingt, genügend Leute auf die Ferieninsel Lesbos zu bringen? Wer errichtet und betreibt diese Lager und garantiert ein faires Verfahren? Nach welchem Schlüssel sollen Flüchtlinge dann wohin verteilt werden? Dafür gibt es keine Pläne. Niemand arbeitet seriös daran.“

4. Sind Migrationspartnerschaften also aussichtlos?

Nicht zwangsläufig. Die Frage ist eher, wie Flüchtlingsabkommen mit afrikanischen Ländern angelegt sind. Gerald Knaus meint, dass die EU durchaus mit Herkunftsländern wie Nigeria, Senegal oder der Elfenbeinküste Abkommen schließen kann. All jene Bürger dieser Länder, die nach einem bestimmten Stichtag, etwa dem 1. Februar 2017, in Italien ankommen und deren Asylantrag dort in einem fairen Verfahren abgelehnt wurde, könnten dann schnell zurückgebracht werden. „Dieses Signal könnte eine ähnliche Wirkung wie beim Türkei-Abkommen haben.“ Der Türkei-Deal funktioniert bislang vor allem über das Prinzip Abschreckung, die EU-Chefs dürften auf einen ähnlichen Effekt in Nordafrika hoffen.

Visumfreiheit: Was die EU von der Türkei verlangt

Ohne Gegenleistung werden die (nord-)afrikanischen Staaten aber nicht mitziehen. Die Länder erwarten Geld. Josef Janning empfiehlt ein ähnliches Vorgehen, wie in der Türkei. „Wir müssen sicherstellen, dass europäische Hilfsgelder direkt den Flüchtlingen und Migranten zu Gute kommen und nicht von Regimen zweckentfremdet werden.“ Janning empfiehlt den EU-Staaten mit den entsprechenden Ländern gemeinsam Projekte durchzuführen. „Wenn die EU zusammen mit der Türkei, Jordanien oder afrikanischen Staaten Flüchtlingsprojekte aufsetzt, hat sie eine viel bessere Kontrolle darüber, was mit den Geldern passiert.“

Hilfsgelder für kooperative Staaten kommen in der Regel aus Nothilfe-Fonds für Afrika mit einem Volumen von 2,5 Milliarden Euro. Die EU-Staaten haben bisher 82 Millionen Euro zugesagt - deutlich weniger als die ursprünglich angepeilten 1,8 Milliarden Euro.

5. Können Migrationspartnerschaften die Flüchtlingsproblematik lösen?

Derzeit sind etwa 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – trotzt jahrzehntelanger Entwicklungspolitik des Westens. Zudem geht der Krieg in Syrien mit größter Brutalität weiter. Kurzum: Es ist unwahrscheinlich, dass in den betroffenen Krisenregionen prosperierenden Gesellschaften und Ökonomien entstehen.

Und selbst wenn ein Land auf einem guten Weg zu sein scheint, sind Rückschläge jederzeit möglich. Beispiel Mali, mit dem kürzlich ein Rückführungsabgekommen geschlossen wurde. Die Bundesrepublik hat das westafrikanische Land über viele Jahre mit Hilfsgeldern unterstützt. Zunächst mit Erfolg: ein ethnischer Konflikt konnte beruhigt werden, demokratische Wahlen fanden statt – scheinbar ein Musterland.

Doch dann erlebte die Welt den arabischen Frühling, die Region destabilisierte sich, die alten Konflikte kochten wieder hoch und Terroristen kamen ins Land. Die Errungenschaften in Mali waren nicht von Dauer. „Selbst wenn es uns gelingt, Fluchtursachen zu bekämpfen und Demokratie zu fördern – manche interne Konflikte sind von außen schlichtweg nicht zu beeinflussen“, sagt Politikwissenschaftler Janning. Bei allem Engagement – aus welcher Motivlage auch immer heraus: Wir sollten unsere eigenen Fähigkeiten in der Region nicht überschätzen.

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