Mit neuen Milliarden aus Berlin EU-Haushalt soll spürbar wachsen

EU-Haushalt soll spürbar wachsen Quelle: dpa

Die EU wird kleiner - doch Aufgaben und Ausgaben sollen wachsen. Den Plan dafür legte die EU-Kommission jetzt vor. Doch schon gibt es Kritik. Der Weg zum Kompromiss werde lang, sagt nicht nur Polen voraus.

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Die EU-Kommission plant im nächsten Jahrzehnt mit deutlich höheren Ausgaben für Europa und fordert deshalb zusätzliche Milliarden aus Berlin - obwohl Europa wegen des Brexits schrumpft. Die Brüsseler Behörde legte am Mittwoch einen Haushaltsrahmen von knapp 1,3 Billionen Euro für die Jahre 2021 bis 2027 vor. Deutschland soll bis zu zwölf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr überweisen. Die Bundesregierung reagierte kühl, andere Zahlerstaaten drohen mit Widerstand. In den nächsten Monaten dürften extrem harte Verhandlungen folgen.

Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte monatelang an dem sogenannten mittelfristigen Finanzrahmen gefeilt - einem komplexen Zahlenwerk, das gleichzeitig die politischen Schwerpunkte für das nächste Jahrzehnt setzen soll. Doppeltes Problem dabei: Weil der große Nettozahler Großbritannien die EU 2019 verlässt, fehlen über zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Gleichzeitig soll für Grenzschutz, Migrationspolitik oder Forschung mehr Geld ausgegeben werden. So soll zum Beispiel die Zahl der Beamten bei der Grenzschutzagentur Frontex von 1200 auf 10 000 steigen, um illegale Migration abzuwehren.

Indirekt dürfte jeder Bürger in der EU die Folgen der Haushaltsplanung zu spüren bekommen - sowohl über zusätzlichen Nutzen wie mehr Sicherheit als auch über mögliche neue Kosten. Das geht so weit, dass letztlich zum Beispiel die Lebensmittelpreise steigen könnten, weil europäische Bauern weniger Geld aus Brüssel bekommen.

Oettingers Vorschlag zum EU-Haushalt könnte insbesondere für Deutschland teuer werden. Doch eine Einigung steht noch aus. Ein Überblick.

Unterm Strich schlägt Oettinger vor, von 2021 bis Ende 2027 gut 1279 Milliarden Euro einzuplanen. Zum Vergleich: Der aktuelle Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 sieht ohne Inflationsanpassung nur 964 Milliarden Euro vor, mit dieser Anpassung sind es 1087 Milliarden Euro.

Damit nicht alles zusätzlich von den großen Nettozahlern wie Deutschland eingefordert werden muss, will Oettinger gleichzeitig bei Agrar- und Strukturhilfen kürzen. So sollen zum Beispiel Direktzahlungen an Landwirte um vier Prozent verringert werden. Darüber hinaus schlägt Oettinger neue Einnahmequellen vor, darunter eine Plastikmüllsteuer, die Milliarden in die EU-Kassen spülen könnte.

„Wir haben ein Europa gewählt, das stabiler, wohlhabender, sozialer und stärker in der Welt ist“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Jeder auf europäischer Ebene ausgegebene Euro müsse echten Mehrwert bringen. Oettinger nannte seinen Vorschlag einen Kompromiss zwischen den Wünschen des Europaparlaments nach Ausgabensteigerungen und dem Willen der Beitragszahler, möglichst nicht mehr an Brüssel zu überweisen.

Tatsächlich sollen allein aus Deutschland - einschließlich des Inflationsausgleichs - künftig jährlich elf bis zwölf Milliarden Euro mehr fließen als bisher. Nach den jüngsten von der EU veröffentlichten Daten gab Deutschland 2016 rund 23,2 Milliarden Euro in den Gemeinschaftshaushalt.

Die Bundesregierung hat zwar bereits ihren Willen bekundet, mehr nach Brüssel zu zahlen. „Dazu gehört aber eine faire Lastenteilung aller Mitgliedstaaten“, erklärten Finanzminister Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas (beide SPD). Scholz nannte eine Größenordnung von 10 Milliarden Euro pro Jahr, die man „ungefähr bewältigen“ könne. Der Vorschlag der Kommission sei nur ein erster Schritt. „Jetzt gilt es alles daran zu setzen, dass wir möglichst bald zu einem zufriedenstellenden Gesamtergebnis kommen.“

Kritik an Oettingers Plänen kommt unter anderem aus Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Vorschlag sei weit davon entfernt, akzeptabel zu sein. „Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird“, sagte er. Diesem Ansatz trage die Kommission nicht ausreichend Rechnung. Der niederländische Außenminister Stef Blok forderte in der Zeitung „Het Financieele Dagblad“ strikte Ausgabendisziplin und eine Beibehaltung des Beitragsrabatts für sein Land, falls keine andere Lösung gefunden werde.

Der polnische EU-Minister Konrad Szymanski erklärte, der Weg zu einem Kompromiss werde lang. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Haushaltsplan auch vor, EU-Mittel an die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien zu koppeln, was Polen treffen könnte. Szymanski hielt sich mit Kritik daran aber zurück. Die Vorschläge seien zumindest nicht konfrontativ, sagte er.

Aus dem Europaparlament kam ein überwiegend positives Echo. „Ich glaube, dass die heutigen Vorschläge in die richtige Richtung gehen“, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, bedauerte, dass die Ausgaben nicht noch mehr erhöht werden sollten.

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