Mitgliederentscheid FDP-Basis versagt die Stimme

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Geringe Beteiligung

Die Zahl der eingehenden Stimmzettel zur Frage der Euro-Rettung war gering. Quelle: dpa

Rösler wirbt ruhig, es sei „klug, Absicherungsmaßnahmen zu installieren“, Sanktionen einzubauen, Schulden zu stoppen. „Und jetzt kommt der Hammer: All das, was jetzt diskutiert wird, ist das, was wir gefordert haben.“ Rösler zitiert den „Marktgrafen“ Lambsdorff und hat ebenfalls ein Horrorszenario parat – falls Schäffler gewinnt: „Wir fliegen aus der Regierung raus, die finden sich ganz schnell zu einer großen Koalition zusammen – und dann kommen Euro-Bonds und Interventionen der EZB.“ Die Geschichte – im doppelten Sinne – „geht dann an den Liberalen vorbei“.

Angst machen muss sein, schließlich hatten Rösler und seine Führungskollegen anfangs selbst Angst. So viel sogar, dass sie dankbar die Schützenhilfe der altvorderen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel annahmen. Schließlich hatten die Euro-Rebellen seit dem Parteitag im Frühjahr (rund 20 Prozent Zustimmung) auf rund ein Drittel Mitte November zugelegt.

Die Sorge bei Rösler und Co.: Bekäme der Antrag A bei reger Beteiligung die Mehrheit, würden die Medien zum Thema machen, dass der Chef gar nicht die Meinung der Basis vertritt. Und war nicht die damalige (und heutige) Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Januar 1996 von ihrem Amt zurückgetreten, nachdem sie beim ersten Mitgliederentscheid in der Parteigeschichte mit ihrer Position zum sogenannten großen Lauschangriff unterlegen war? Als Schutz für die Koalition gab der Fraktionschef Rainer Brüderle prompt die Parole aus, es gäbe kein imperatives Mandat, also keinen Abstimmungsauftrag durch die Basis.

Spannung steigt an

Aber noch reicht die Beteiligung nicht aus. 14 800 Mitglieder hatten bis Dienstag vergangener Woche ihren Stimmzettel eingesandt, seitdem veröffentlicht das Thomas-Dehler-Haus keine Zahlen mehr. Kamen anfangs täglich rund 1000 Wahlbriefe, sank die Zahl kontinuierlich ab. In der vergangenen Woche liefen im Schnitt nur noch etwa 300 Kuverts ein. Mit einem Schlussspurt rechneten die Strategen in der Parteizentrale nicht mehr, schließlich hätten insbesondere die Rettungsgegner sicher schon in den ersten Tagen ihrer Empörung im Rückumschlag freien Lauf gelassen.

Inzwischen hatten die meisten Vorständler ihr Werben um eine hohe Beteiligung sogar eingestellt. Ein bloßes Stimmungsbild ist für die Führung ohne großes Risiko, egal, wie die Mehrheit ausfällt. Doch dann kam Ende vergangener Woche plötzlich die Wende per Post: rund 700 Stimmzettel pro Tag. Donnerstagabend waren es 16 200. Hält der Trend bis zum Ende (Poststempel 13. Dezember), könnte es doch noch spannend werden, mit vielleicht gravierenden politischen Folgen.

Vor dem Kaminfeuer des Forsthauses in Schernebeck mahnt Hausherr von Engelbrechten: „Wenn Schäffler durchkommt, fürchte ich, dass die Regierung zusammenbricht. Das ist viel schlimmer als das andere, was wir ohnehin nicht verhindern können.“ Und Ackermann, der an den Rebellen-Sieg glaubt, aber das Quorum für unrealistisch hält, hofft, dass der Mitgliederentscheid „keine Konsequenzen für meine Parteiführung hat“. Im Frühjahr habe die FDP schließlich erst ihre neue Führung gewählt. „Wir haben unser Kontingent an Auswechselspielern ausgeschöpft.“

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