Die Bewerbung war seit Ende vergangenen Jahres bekannt, an diesem Freitag verkündete das norwegische Finanzministerium nun offiziell, dass Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an die Spitze der norwegischen Notenbank wechseln wird. In Brüssel löst dies Unmut aus. „Mitten in der Ukraine-Krise scheint sich Stoltenberg vor allem um sein persönliches Fortkommen zu sorgen“, heißt es in Diplomatenkreisen.
Stoltenbergs Nato-Mandat läuft zum 30. September 2022 aus. Im Vorfeld der Entscheidung hatte Stoltenberg stets betont, sein Nato-Mandat noch bis zu Ende führen zu wollen. Vorübergehend wird deshalb die Leitung der norwegischen Notenbank Vize-Gouverneurin Ida Wolden Bache übernehmen, die ebenfalls für den Chefposten kandidiert hatte.
Stoltenberg riskiert nun aber, mitten in der Ukraine-Krise zur „Lame Duck“ zu werden, zur handlungsunfähigen lahmen Ente. In der Nato wird seit längerem nach einem Nachfolger für Stoltenberg gesucht. Dass der Sozialdemokrat sich so offen um seine Anschlussverwendung gekümmert hat, befremdet. Am Donnerstag war er nach norwegischen Medienberichten bereits in Oslo gesichtet worden, was auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten bei der Notenbank deutete.
Der 62-jährige Stoltenberg, von 2005 bis 2013 Ministerpräsident seines Heimatlands, steht zudem für einen Trend, wonach mehr und mehr Politiker zu Notenbanken wechseln. Die französische EZB-Präsidentin Christine Lagarde und das spanische EZB-Direktoriumsmitglied Luis de Guindos waren beide Wirtschaftsminister ihrer Länder. In Norwegen war Stoltenbergs Bewerbung bei der Notenbank auf Kritik gestoßen wegen seiner Verbindungen zu Ministerpräsident Jonas Gahr Store. Die beiden Sozialdemokraten sind eng befreundet. Stoltenbergs Wechsel ist brisant, weil die norwegische Notenbank nicht nur die Geldpolitik verantwortet, sondern auch den 1,4 Billionen Dollar schweren Öl-Fonds, den größten Foreign Wealth Fund der Welt. Dies macht den Posten für Stoltenberg besonders attraktiv – würde aber auch eine gewisse Distanz zur Politik gebieten.
Bisher war erwartet worden, dass die Nato den Namen ihres kommenden Generalsekretärs bei ihrem Gipfel Ende Juni in Madrid bekannt geben wird. Offenbar ist eine Entscheidung intern schon gefallen, ein Name ist aber noch nicht nach außen gedrungen. Zu den Personen, über die spekuliert wird, gehört unter anderem Federica Mogherini, früher Außenministerin Italiens und EU-Außenbeauftragte. Die Personalie wird stark von jenseits des Atlantiks beeinflusst: Bei Personalentscheidungen in der Nato spielen die USA eine zentrale Rolle.
Mehr zum Thema: Während die US-Notenbank die Märkte mit einer klaren Strategie auf höhere Leitzinsen vorbereitet, redet die EZB die Inflationsrisiken klein. Sie verunsichert Börsen und Bürger. Und setzt ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.