Montenegros Ministerpräsident Dusko Markovic „Sollte die Unterstützung der EU wegfallen, suchen wir andere Quellen“

Montenegros Ministerpräsident Dusko Markovic Quelle: AP

Die Begeisterung für die EU auf dem Balkan schwindet, warnt Montenegros Ministerpräsident Dusko Markovic. Er fordert die Europäer auf, die richtigen Botschaften zu senden.

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Trotz aller Enttäuschung komme er immer noch gerne nach Berlin, sagt Dusko Markovic, während er mühsam dagegen ankämpft in den tiefen Sesseln des Nobelhotels Westin Grand nicht vollends zu versinken. Markovic ist Premierminister von Montenegro, dem kleinsten Land unter den Staaten des westlichen Balkans, die seit Jahren um die Gunst der Europäischen Union ringen. Seit mehr als einem Jahrzehnt schon laufen die Aufnahmegespräche mit der EU, eine konkrete Perspektive hat er noch immer nicht. Seine vielleicht letzte Hoffnung heißt nun: Angela Merkel. Gerade ist er zum Austausch über den rechtsstaatlichen Dialog in Berlin, mit Wirtschaftsminister Altmaier und dem DIHK hat er außerdem über Investitionen in seinem Land gesprochen. Im vergangenen Herbst hatte Markovic die Kanzlerin zum ersten Mal zum bilateralen Austausch getroffen, es war ein Symbol, genauso wie der Westbalkan-Gipfel, den Merkel Ende April organisiert hat. Wir, die EU, sollte das heißen, kümmern uns um euch – wenn ihr euch eindeutig zu uns bekennt.

WirtschaftsWoche: Herr Markovic, seit 11 Jahren führen Sie Beitrittsgespräche mit der EU, bis heute gibt es keine konkrete Perspektive. Wie frustrierend ist das?
Dusko Markovic: Frust ist das falsche Wort. Denn ich finde, anders als manche meiner Kollegen aus der Region, dass die EU im Prinzip genügend tut. Die EU hat in zehn Jahren zehn Milliarden Euro in den Westbalkan investiert.  

Trotzdem haben Sie kaum Anlass zur Hoffnung, bald der Union beitreten zu können.
Ich kann nur sagen: Wir haben alles getan. Wir haben alle unsere Grenzkonflikte gelöst, sind bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption weit vorangekommen. Jetzt muss Europa nur noch erkennen, wie sehr es im Interesse des Kontinents wäre, wenn die Staaten des Westbalkans der Union beitreten könnten.

Warum sollte sich Brüssel damit besonders beeilen? Erstmal hieße das doch nur: Mehr Länder, die Fördergelder beantragen.
Europa ist nicht in erster Linie ein fiskalisches Projekt. Ohne mehr europäisches Engagement gibt es keinen dauerhaften Frieden im westlichen Balkan – und ohne Frieden im westlichen Balkan gibt es keinen dauerhaften Frieden in Europa.

Aber was ist für ein Land wie Montenegro die Alternative, wenn die EU sie weiter hinhält. Russland? China?
Die Einmischungsversuche Russlands in unserem Land sind dokumentiert und wurden von uns klar abgewendet, auch wenn das eine schwierige Situation war. Bei China ist die Lage anders. Wir bekennen uns zur EU und ihren Werten. Wir möchten uns mit Unterstützung Europas weiterentwickeln. Aber sollte diese Unterstützung wegfallen, werden wir andere Quellen suchen und finden.

In China sind Sie fündig geworden: Die staatliche Exim-Bank stellt ihrem Land einen 900-Millionen-Euro-Kredit, die staatliche Baugesellschaft CRBC baut davon eine Autobahn. Ist das als Provokation gegenüber Europa zu verstehen?
Keineswegs. Aber Sie müssen unsere Situation verstehen: Von der Europäischen Investitionsbank haben wir keine Förderung bekommen, aber wir waren deshalb nicht bereit, unseren Traum von der ersten Autobahn im Land aufzugeben. In der Vorbereitungsphase hat nur die chinesische Firma CRBC unsere Anforderungen erfüllt und gute Finanzierungsbedingungen angeboten. Natürlich auch die Durchführung der Arbeiten nach europäischen Standards. Es gab noch einen anderen Bieter, aber der wollte 300 Millionen Euro mehr.

Aus Brüssel betrachtet liest sich das anders: Wieder ein Land mitten auf dem Kontinent, in dem China seinen Einfluss ausbaut.
Das stimmt aber nicht. Wir unterscheiden uns da ganz klar von dem, was manch anderer macht. Bei uns gibt es keine chinesischen Staatsinstitute im Land. Verschiedene chinesische Unternehmen haben Interesse, etwa im Energiesektor zu investieren. Aber bis jetzt wurden diese Investments nicht umgesetzt. 

Was kann die EU aus ihrer Sicht tun, um ihren Einfluss insbesondere auf dem Balkan wieder zu stärken?
Aus meiner Sicht ist dafür kein fundamentaler Wandel nötig. Die Länder orientieren sich ohnehin in Richtung der EU. Wir reden über eine strategische Vorgehensweise. Unsere Integration sollte nicht in erster Linie technisch und administrativ betrachtet werden. Wir haben bei der Harmonisierung mit der EU viel zu tun, aber wir brauchen auch optimistische Botschaften. Schließlich hören wir von anderen potenziellen Partnern: Wir sind auf eurer Seite, arbeiten mit euch zusammen – unabhängig davon wie ihr zu Hause euer Land regiert. Da erfordert es viel Stärke, sich zur EU zu bekennen – wie wir es tun.

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