
Bei einer streng abgeschirmten Trauerfeier hat Frankreich der 130 Opfer der Terroranschläge vom 13. November gedacht. Präsident François Hollande versprach den Hinterbliebenen dabei am Freitag, die Verantwortlichen für die Attentate zu vernichten. Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte sich zu den Anschlägen bekannt. Deren selbst gewählte Hauptstadt Rakka im Nordosten Syriens will Frankreich zum Hauptziel des Kampfes gegen den IS machen.
Bei Luftangriffen wurden in der Stadt in der Nacht zum Freitag mindestens acht Menschen getötet, darunter fünf Kinder, wie Aktivisten berichteten. Unklar war zunächst, wer die Luftschläge führte. Neben der US-geführten Allianz fliegt auch Russland seit Ende September Luftangriffe in Syrien. Hollande hatte mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin erst am Donnerstag vereinbart, die Luftangriffe zu koordinieren.
Das bedeuten die Anschläge in Paris für Deutschland
Die Bundespolizei schickt verstärkt Einsatzkräfte an die Grenze zu Frankreich, intensiviert Streifen an Flughäfen und Bahnhöfen. Die Polizisten patrouillieren dort mit Schutzwesten und schweren Waffen. Verbindungen von und nach Frankreich werden besonders in den Blick genommen.
Nach einem Anschlag in einem Nachbarland setzt sich bei Polizei und Geheimdiensten in Deutschland hinter den Kulissen automatisch eine Maschinerie in Gang: Die Behörden checken, ob es mögliche Verbindungen und Kontakte der Täter nach Deutschland gibt. Sie sprechen dazu mit den V-Leuten in der Islamisten-Szene, durchforsten Foren und Netzwerke im Internet. Und sie überwachen besonders die islamistischen „Gefährder“ - also jene, denen sie einen Terrorakt zutrauen. Aber auch Rechtsextremisten, die auf die Anschläge reagieren könnten, stehen unter besonderer Beobachtung.
Belastbare Erkenntnisse dazu gab es zunächst nicht, aber einen ersten Verdacht: In Oberbayern wurde am Donnerstag vor einer Woche auf der Autobahn zwischen Salzburg und München ein Autofahrer angehalten und kontrolliert. Schleierfahnder der Polizei entdeckten im Kleinwagen des 51-Jährigen unter anderem mehrere Kalaschnikow-Gewehre, Handgranaten sowie 200 Gramm TNT-Sprengstoff. „Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt“, sagt de Maizière. Auf dem Navigationsgerät des Mannes habe man eine Adresse in Paris gefunden. Ob das einen Zusammenhang zur Anschlagsserie bedeute, sei noch unklar. Der Verdächtige, der aus Montenegro stammt, sitzt in Untersuchungshaft.
Als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris werden in Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen hochgefahren. Es werde in den nächsten Tagen eine für die Bürger sichtlich erhöhte Polizeipräsenz geben, kündigte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Samstagabend (14. November) in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner Spezial“ an. „Die Polizei, die man sieht, wird auch etwas anders aussehen als bisher. Die Ausrüstung wird eine andere sein.“ Zugleich werde zusammen mit den Nachrichtendiensten die Beobachtung islamistischer Gefährder intensiviert.
Bislang gingen bei Polizei und Geheimdiensten etwa 100 Hinweise auf mögliche Terroristen ein, die auf diesem Weg ins Land gekommen sein sollen. Davon habe sich der Verdacht bisher aber in keinem einzigen Fall bestätigt, heißt es aus Sicherheitskreisen. „Aber man darf den IS nicht unterschätzen“, meint der Terrorexperte Rolf Tophoven. „Die Gefahr ist nicht auszuschließen. Unsere Sicherheitsbehörden können nicht jeden kontrollieren.“
Nach Einschätzung von Fachleuten dürften Terroristen eher auf anderem Weg versuchen, nach Deutschland zu kommen - etwa mit gefälschten Papieren im Flieger. Polizei und Geheimdienste beobachten allerdings, dass Islamisten versuchen, junge Flüchtlinge, die schon in Deutschland sind, zu rekrutieren. Generell gilt aber: Attentäter müssen nicht unbedingt von außen ins Land gebracht werden. Es gibt viele Fanatiker, die sich im Inland radikalisiert haben.
Mehr als 43.000 Menschen gehören insgesamt dazu. Die Szene ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen - vor allem durch den starken Zulauf bei den Salafisten, einer besonders konservativen Strömung des Islam. Rund 7900 Salafisten gibt es inzwischen. Polizei und Geheimdienste stufen viele Islamisten als gefährlich ein: Etwa 1000 Menschen werden dem islamistisch-terroristischen Spektrum zugeordnet. Darunter sind 420 „Gefährder“.
Zum Teil sind auch Rückkehrer aus Dschihad-Gebieten darunter. Diese machen den Sicherheitsbehörden große Sorgen, weil viele radikalisiert und kampferprobt zurückkommen. Von den mehr als 750 Islamisten aus Deutschland, die bislang Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, ist ein Drittel wieder zurück - also rund 250 Leute. Etwa 70 davon haben Kampferfahrung gesammelt.
Die Bomber hätten die Heten-Schule in Rakka getroffen, meldete eine örtliche Aktivistengruppe, die den IS beobachtet. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach von zwölf Toten, darunter fünf Kinder.
An der Trauerfeier am Invalidendom in Paris durften nur geladene Gäste teilnehmen, unter ihnen viele Angehörige der Opfer. Das Militär riegelte das Gelände ab. Bei der Zeremonie wurden die Namen und das Alter aller 130 Toten verlesen. Die meisten waren jünger als 35, wie Hollande hinwies. Das jüngste Opfer war 17, das älteste 68 Jahre alt. Am Abend des 13. November hatten Attentäter an sechs Orten fast zeitgleich zugeschlagen und wahllos Menschen ermordet.
In einer uncharakteristischen Zurschaustellung von Patriotismus flatterten in Paris in Fenstern und an Bussen französische Flaggen. Zum Abschluss der Trauerfeier spielte das Militärorchester die Nationalhymne. Neben Hollande und seinem Kabinett waren auch die Spitzen des Parlaments und der Opposition anwesend.
Das schreiben die französischen Zeitungen zu den Anschlägen
„Alle Antiterror-Experten haben einen Großangriff in Frankreich erwartet. Die Eingreiftruppen haben sich schon lange auf diese Art von Anschlägen auf verschiedene Ziele vorbereitet.“
„Wut und Abscheu: Das empfindet man angesichts der Morde, die die Täter in Paris mit der üblichen Feigheit der Terroristen verübt haben. Im Namen der Märtyrer vom Freitag, der unschuldigen Opfer und im Namen der Republik wird Frankreich vereint bleiben und dem Terror die Stirn bieten.“
„Elf Monate nach den Anschlägen vom Januar hat der Terrorismus wieder getötet. Im großen Ausmaß. Blind und ohne Mitleid.“
„Paris ist angegriffen. Paris ist die Zielscheibe. Paris wird wieder einmal verletzt, auf blutige, erschütternde und entsetzliche Weise. Nur wenige Tage, bevor die Staatschefs zum UN-Klimagipfel in der französischen Hauptstadt landen, (US-Präsident) Obama, (der russische Präsident) Putin und andere. Der Terrorismus hat vor aller Augen seine Schlagfähigkeit demonstriert, und hat gezeigt, dass er durch Massenmorde ein Entsetzen auslösen kann, das auf Frankreich, aber auf die gesamte Welt zielt. Der Notstand klingt wie ein Signal des Krieges.“
“Die Opfer der Anschläge sind das entsetzliche Zeugnis eines weltweiten Krieges, der Frankreich gegen seinen Willen zu einem der wichtigsten Schlachtfelder macht.“
„Dieser Krieg wird uns aufgezwungen. Dies erfordert von jedem Bürger eine Solidarität, um den Bedrohungen und Angriffen zu widerstehen. Wir müssen angesichts dieses Dramas einen kühlen Kopf bewahren, und Entschlossenheit zeigen.“
„Dieses Land wird den Terroristen niemals nachgeben. Die Heimat der Menschenrechte wird sich niemals von diesen Terrorgruppen beeindrucken lassen, deren Methoden und mörderischer Hass die Unterschrift trägt, die alle Welt erkannt hat. Wir werden die Barbarei nicht hinnehmen.“
Hollande versprach bei der Trauerfeier, „dass Frankreich alles tun wird, um die Armee von Fanatikern zu zerstören“, die für die Anschläge verantwortlich seien. Seine Rede war vor allem den getöteten und der Jugend Frankreichs gewidmet. „Die Tortur hat uns alle gezeichnet, aber sie wird uns stärker machen“, sagte der Präsident.
Seit der Anschlagswelle fliegt Frankreich verstärkt Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien und im Irak und wirbt um ein breites internationales Bündnis gegen die Extremisten. Neben Russland sagten auch Deutschland und Italien Hollande Hilfe zu. Alle beteiligten Länder seien sich einig, dass der IS „neutralisiert und ausradiert“ werden müsse, sagte Außenminister Laurent Fabius dem Sender RTL.
Derzeit konzentrieren sich die Angriffe nach seinen Worten auf Ölkonvois vom IS-Territorium, die für die Extremisten eine wichtige Finanzquelle sind. Einige der Lastwagen führen in die Türkei, und Frankreich vermute, dass auch die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bei der Terrormiliz Öl kaufe.
Fabius berichtete aus den Gesprächen mit Putin, dieser teile die Ansicht, dass vor allem der IS in Syrien bekämpft werden müsse. Frankreich werde eine Karte moderater Rebellen in Syrien entwerfen, um sie vor Luftangriffen zu schützen, sagte der Außenminister.
Ein Ableger der Terrormiliz hatte sich auch dazu bekannt, Ende Oktober einen russischen Ferienflieger über Ägypten zum Absturz gebracht zu haben, dabei kamen alle 224 Menschen an Bord ums Leben.