Nach der Wahl in Frankreich Macron muss um Unterstützung bangen

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Fehlende Legitimität für neuen Präsidenten?

Gleichzeitig sollen die Unternehmenssteuern von 33,3 Prozent auf 25 Prozent sinken und die Vermögenssteuer nur noch auf Immobilienbesitz erhoben werden. Wer eine Firma verkauft, soll nicht zur Kasse gebeten werden, damit das Geld in neue Investitionen fließen kann. Solche Vorschläge, die in Frankreichs linkem Politspektrum als viel zu unternehmerfreundlich werden, ungeeignet für die dort gewünschte Umverteilung der Vermögen und als Zementierung der kritisierten „Austeritätspolitik“, sind für Mélenchon nicht akzeptabel.

Außerdem ist alles andere als garantiert, dass Macron für Berlin in Europa-Fragen ein handzahmer Verhandlungspartner wäre. Einige seiner Vorschläge und Forderungen haben dort schon in der Vergangenheit starke Abwehrkräfte in Bewegung gesetzt. Wenn er, wie erst vor wenigen Tagen wieder, einen Ausgleich für die „unerträglichen“ Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands verlangt. Oder darüber sinniert, dass Euro-Länder künftig gemeinsam Gelder an den Kapitalmärkten locker machen sollten, um Reformen in ausgewählten Mitgliedsstaaten zu unterstützen. Transferunion - das Wort berührt in Berlin ein Tabu. Doch Macron ist überzeugt: „Wenn wir uns nicht bewegen, zerstören wir die EU.“ Mehr als 50 Prozent der Franzosen haben in der ersten Wahlrunde am Sonntag für Kandidaten votiert, die mindestens EU-skeptisch sind.

Dass die konservativen Republikaner sich nicht zu einer Wahlempfehlung für Macron durchringen konnten, liegt am rechten Parteiflügel. Bei den Themen Einwanderung, Terrorbekämpfung und Umgang mit dem Islam gibt es durchaus eine Schnittmenge mit Le Pen. Viel entscheidender aber dürfte der Blick auf die Parlamentswahlen im Juni sein. Dort hoffen die Republikaner, ihre Niederlange vom Sonntag auszumerzen und eine Mehrheit der Sitze zu erringen.

Es wäre in der Tat delikat, nun Macron zu unterstützen und ab dem 8. Mai morgens in den Wahlkampf gegen ihn einzutreten. Oder ihm später die Gefolgschaft bei Gesetzesinitiativen zu verweigern. Solche Gedanken sind auch Mélenchon nicht fremd. Nach dem miserablen Abschneiden von Benoît Hamon bei der Präsidentschaftswahl - er kam nur auf 6,4 Prozent - steht die Sozialistische Partei (PS) vor der Spaltung. Mélenchon arbeitete schon im Wahlkampf daran, sich als Wortführer einer „wahren“ sozialistischen Politik zu installieren - in Abgrenzung zum von Hollande betriebenen Wandel hin zur Sozialdemokratie mit einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik „Ein Teil der linken Wählerschaft wollte zeigen, dass sie noch immer existiert,“ kommentiert der Meinungsforscher Bruno Cautrès von der Agentur Cevipof den vierten Platz von Mélenchon. Sein Kollege Reynié von Fondapol steht vor einem Phänomen: „Ich habe noch keinen Wahlkampf erlebt, in dem die Realität derart ausgeblendet wurde.“

Als Fazit lässt sich festhalten, dass Macron eine Menge Widerstände wird überwinden müssen. In den sozialen Netzwerken macht sich seit Montag der Aufruf „sans moi le 7 mai“ breit. Ohne mich am 7. Mai. Ein Appell, die Quote der Wahlenthaltungen auf mehr als 50 Prozent zu schrauben. Sie würde den Urnengang nicht ungültig machen, aber den Wahlsieger oder die Siegerin der Legitimität berauben.

 

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