Schon bietet der frisch gewählte AfD-Europaabgeordnete Joachim Starbatty, emeritierter Ökonomie-Professor aus Tübingen, der Union eine Zusammenarbeit an. Er frage seine früheren Parteifreunde von der CDU immer: „Was macht Ihr denn? Wir sind doch Euer künftiger Koalitionspartner. Ihr könnt doch unsere bürgerlichen Stimmen nicht einfach liegen lassen.“ Die aktuelle Stärke – oder treffender: Schwäche- der FDP zeigt sich mit diesem Wahlergebnis. Hier ging es um keine Macht- und Gestaltungsperspektive, es gab noch nicht einmal eine magische Fünf- oder Drei-Prozent-Hürde, die es fürs Überleben zu überwinden galt. Diesmal musste wirklich nur liberal wählen, wer inhaltlich von der FDP überzeugt ist. Und das sind eben derzeit nicht mehr als drei Prozent der Wähler.
Die Union muss sich angesichts des Wahlergebnisses überlegen, ob sie ihren Kurs unbeirrt weiterfahren will. Angela Merkel zu plakatieren, die gar nicht zur Wahl stand, hat wegen des schwachen Abschneidens der CSU nicht gereicht. Erstmals gibt es eine demokratisch legitimierte konservative Partei neben der Union. Glaubwürdig war es nicht, gegen Eurobonds zu plädieren, wenn der eigene Spitzenkandidat Jean Claude Juncker dafür ist. Oder nun plötzlich Zuständigkeiten aus Brüssel zurückholen zu wollen, nachdem man in der Vergangenheit fast jede Machtausweitung der EU-Kommission anstandslos hat geschehen lassen.
Einfacher wird es in der großen Koalition auch deshalb nicht, weil die SPD erstmals wieder einen Hoffnungsschimmer verzeichnen kann.
Wichtiger als das deutliche Plus, das auch dem historischen Tiefpunkt vor vier Jahren geschuldet ist, ist für die Sozialdemokraten, dass sie wieder näher an die 30-Prozent-Marke heran gekommen sind, die sie bei den vergangenen bundesweiten Wahlen stets nur aus der Ferne sehen konnten. Den Genossen vermittelt es das gute Gefühl, dass die sozialdemokratische Politik der Bundesregierung nun endlich auch mal auf ihr Konto einzahlt. Denn in den Umfragen seit der Bundestagswahl hatte das aktive Auftreten der SPD-Minister – gerade im Vergleich zum Zeitlupenstart der Unionskollegen – für keinerlei Bewegung gesorgt.
Selbstbewusste Anhänger sind aber stets ein wesentlicher Faktor für den nächsten Wahlkampf.