Nach Thalys-Attacke François Hollande zeichnet Helden mit Verdienstorden aus

François Hollande hat die Helden der Thalys-Attacke mit der Ehrenlegion ausgezeichnet. Indessen diskutiert Europa über Sicherheitskontrollen in Zügen – Brüssel hält sich dabei merklich zurück.

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François Hollande mit dem britischen Geschäftsmann Chris Norman (L), Anthony Sadler, Spencer Stone Alek Skarlatos – den Helden, die den Anschlag auf den Thalys-Zug verhinderten. Quelle: REUTERS

Der französische Präsident François Hollande hat drei Amerikaner und einen Briten für ihren „Heldenmut“ bei der Thalys-Attacke mit der Ehrenlegion ausgezeichnet. Mit ihrem Eingreifen hätten die Männer „eine Tragödie, ein Massaker“ verhindert, sagte Hollande bei einer Zeremonie zur Vergabe der hohen Auszeichnung im Élysée-Palast. Den 25-jährigen Marokkaner, der in dem Hochgeschwindigkeitszug Amsterdam-Paris das Feuer eröffnet hatte, bezeichnete Hollande als Terroristen. Der schwer bewaffnete Angreifer war von den Fahrgästen niedergerungen worden, terroristische Absichten leugnet der Festgenommene.

„Eine Person hatte entschieden, einen Anschlag im Thalys zu begehen“, sagte Hollande. „Er hatte genug Waffen und Munition, um ein Blutbad anzurichten.“

Der Präsident überreichte die hohe Auszeichnung den US-Soldaten Alek Skarlatos und Spencer Stone, dem amerikanischen Studenten Anthony Sadler sowie dem Briten Chris Norman. Die drei jungen Amerikaner waren in Begleitung ihrer Mütter in Hollandes Amtssitz gekommen, auch US-Botschafterin Jane Hartley und Belgiens Premierminisiter Charles Michel waren bei der Zeremonie dabei. „Ihr Heldenmut soll ein Beispiel für viele und eine Quelle der Inspiration sein“, sagte Hollande. „Das ist eine sehr große Ehre“, reagierte Norman (62).

Der Marokkaner war von den spanischen Behörden als Islamist gemeldet worden. Die belgischen Sicherheitsbehörden kannten den Mann zwar, hielten ihn aber nicht für sehr gefährlich. Deshalb sei er nicht rund um die Uhr überwacht worden, sagte der belgische Innenminister Jan Jambon dem belgischen Sender Radio 1.

Der 25-Jährige wurde nach seiner Festnahme in einen Vorort von Paris gebracht und dort von Anti-Terror-Ermittlern verhört. Nach Angaben seiner Anwältin behauptete er, die Fahrgäste ausrauben zu wollen, aber kein Terrorist zu sein. Seine Bezwinger halten das angesichts seines Waffenarsenals - eine Kalaschnikow, eine Pistole und zahlreiche Magazine - für unglaubwürdig.

Auch in Deutschland gibt es nun Rufe nach einem besseren Polizeischutz in Zügen und Bahnhöfen. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte der „Passauer Neuen Presse“, im Vergleich zum intensiv kontrollierten Flugverkehr sei der Bahnverkehr wesentlich anfälliger. Um die Polizeipräsenz zu erhöhen, „bedarf es aber unweigerlich zusätzlicher Stellen bei der Bundespolizei.“


Brüssel warnt vor "Hyperaktionismus"

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält einen Einsatz von Sicherheitsbegleitern in Zügen nach dem Vorbild der Sky-Marshalls im Luftverkehr für sinnvoll. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte am Rande einer Veranstaltung in Aachen gesagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, in jede S-Bahn und in jeden Zug Sicherheitsbeamte zu stellen.“ Wo es Hinweise gebe, müsse man den Bahnverkehr möglicherweise stärker in den Blick nehmen.

Der französische Bahnbetreiber SNCF hält eine Abriegelung und systematische Kontrolle der Bahnsteige - ähnlich wie im Flughafen nicht für machbar. Der Zugverkehr sei in Frankreich 20 Mal so groß wie der Luftverkehr, sagte SNCF-Chef Guillaume Pepy in einem Interview der Zeitung „Le Journal du Dimanche“ zur Begründung.

Belgiens Premierminister Charles Michel will für die internationalen Thalys-Züge Gepäck- und Ausweiskontrollen wie beim Eurostar-Zug zwischen dem europäischen Festland und London. Zudem fordert er ein Treffen der Innenminister von Frankreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden - dort verkehren die Thalys-Züge.

In der aufgeflammten Debatte um die Sicherheit von Zügen in Europa hält sich die EU-Kommission derweil merklich zurück. Bisher habe es unter den Mitgliedstaaten kein ausgeprägtes Interesse bei diesem Thema gegeben, sagte ein Sprecher der Behörde.

Es müssten zwar nötige Maßnahmen getroffen werden, aber ohne in einen „Hyperaktionismus“ zu verfallen, warnte er. Die Kommission sei bereit, gemeinsam mit EU-Staaten voranzukommen.

In Europa wird nach der Attacke eines schwer bewaffneten Mannes in einem Thalys-Hochgeschwindigkeitszug von Amsterdam nach Paris über verschärfte Sicherheitsmaßnahmen debattiert. Der belgische Premier Charles Michel brachte dafür Kontrollen wie beim Eurostar-Zug ins Spiel, der vom europäischen Festland aus nach London verkehrt.

Dessen Passagiere müssen sich ausweisen und ihr Gepäck - ähnlich wie auf Flughäfen - kontrollieren lassen. Diese Überprüfungen sind auch deshalb nötig, weil Großbritannien nicht zum Schengen-Raum gehört. Solche Kontrollen gibt es beim Thalys bisher nicht.

Die EU-Behörde äußerte sich nicht explizit dazu, ob Kontrollen à la Eurostar auch bei internationalen Zügen innerhalb des Schengengebiets möglich sind. Ein Sprecher erinnerte daran, dass Identitätsüberprüfungen klassischen Grenzkontrollen nicht entsprechen dürften.

Die EU-Arbeitsgruppe zur Zugsicherheit, in der Experten der Mitgliedstaaten und der Branche vertreten sind, gibt es seit drei Jahren. „Das Interesse der Beteiligten in der Gruppe war mittelmäßig, insbesondere der Mitgliedstaaten“, resümierte ein Behördensprecher.

Die Aufmerksamkeit richte sich nun auf die europäischen Verkehrsminister, die am 8. Oktober in Luxemburg tagen werden. Die Kommission begrüßte die belgische Initiative, ein Krisentreffen der Innen- und Verkehrsminister aus Frankreich, Belgien, Niederlande und Deutschlands zu veranstalten. Ein Termin für diese Zusammenkunft steht noch nicht fest.

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