Neue Debatte EU-Schuldenregeln: Ein Thema, dass die EU-Staaten zu entzweien droht

Die Europäische Kommission will die Haushaltsregeln für EU-Länder nach der Aufnahme von Rekordschulden in der Corona-Pandemie vereinfachen. Quelle: imago images

Während der Pandemie waren die EU-Haushaltsregeln ausgesetzt. Mehrere EU-Staaten rufen angesichts hoher Defizite jedoch nach einer Reform. Sind die strengen Vorgaben für Ausgaben und Schulden noch zeitgemäß?

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Die Europäische Kommission will die Haushaltsregeln für EU-Länder nach der Aufnahme von Rekordschulden in der Corona-Pandemie vereinfachen. An diesem Dienstag startet die Brüsseler Behörde mit einem Papier die offizielle Reformdebatte zu dem Thema. In einem Entwurf des Papiers plädiert die Kommission für „einfachere fiskalische Regeln“ und eine „bessere Umsetzung“, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Mehrere EU-Staaten hatten zuvor eine umfangreichere Reform der Haushaltsvorgaben gefordert.

Die Flexibilität der Regeln habe eine zeitgemäße Antwort auf die Corona-Krise erlaubt, schreibt die Kommission in ihrem Entwurf. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde im vergangenen Jahr ausgesetzt, da die Länder enorme Schulden aufnehmen mussten, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzufedern.

Der Pakt sieht vor, dass EU-Länder nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen. Haushaltsdefizite sollen bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedeckelt werden. Der Pakt soll zum Jahr 2023 wieder in Kraft treten. Die durchschnittliche Schuldenquote in der EU lag 2020 allerdings bei 92 Prozent, wie aus dem Entwurf hervorgeht. Defizite lagen im Durchschnitt bei 7 Prozent.



Es sei notwendig, die Schulden zu reduzieren, um einen Puffer für zukünftige Krisen zu schaffen, schreibt die Kommission. Es gebe allerdings große Unterschiede zwischen den Schuldenquoten der EU-Länder. Die Schulden müssten schrittweise und auf eine realistische Art reduziert werden, um das Wachstum nicht zu gefährden.

Das Thema droht, die EU-Staaten zu entzweien. Besonders Länder mit hohen Schulden wie Italien fürchten, dass eine rasche Rückkehr zu den strengen Vorgaben dem wirtschaftlichen Aufschwung schaden könnte. Auch Frankreich fordert, die Regeln umfassend zu überdenken. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte zuletzt hingegen, er finde die Regeln flexibel genug. Auch die nordischen Länder wie Dänemark und Schweden wollen nur kleine Änderungen und pochen auf eine Rückkehr zu klaren Haushaltsvorgaben.

Ein weiteres Thema sind künftige Investitionen, um die Digitalisierung und eine klimaneutralere Wirtschaft voranzubringen. Laut dem Entwurf der Kommission sind rund 650 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030 dafür notwendig. Zuvor hatte es einen Vorschlag gegeben, bestimmte Investitionen für den Umwelt- und Klimaschutz aus den strikten Haushaltsregeln auszuschließen. Einige EU-Staaten wie Frankreich begrüßten solch eine Lösung. Andere wie Österreich sehen Ausnahmen skeptisch.

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Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschäftigt die EU schon seit Jahren. Die Vorschriften wurden nach der Finanzkrise 2011 und 2013 nachgeschärft, gelten aber als kompliziert und oft politisch kaum durchsetzbar. Der letzte Reformprozess wurde wegen der Pandemie auf Eis gelegt. Mit dem Papier startet die Kommission nun eine neue Befragung von Beteiligten und Experten, wie die Haushaltsregeln angepasst werden sollen.

Mehr zum Thema: Die Regierungen haben den Europäischen Stabilitätspakt in der Coronapandemie ausgesetzt. Nun wittern seine Kritiker die Chance, das komplette Regelwerk zu reformieren – und die lästigen Haushaltsvorgaben aus Brüssel langfristig aufzuweichen.

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