New Green Deal Die Spuren der Lobbyisten in der EU-Klimapolitik

Auf 24 Seiten beschreibt die neue Kommissionspräsidentin von der Leyen, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden kann. Quelle: REUTERS

Kommissionspräsidentin von der Leyen stellt den Plan für die Generalüberholung Europas zu einem klimafreundlichen Kontinent vor. Das Papier zeigt, wie unterschiedliche Gruppen versuchen, die Politik zu beeinflussen.

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Das Timing war Ursula von der Leyen wichtig. Zehn Tage nach ihrem Amtsantritt als EU-Kommissionspräsidentin und direkt vor dem EU-Gipfel am Donnerstag stellt sie an diesem Mittwoch in Brüssel ihre Pläne für den Europäischen Green Deal vor. Auf 24 Seiten wird dabei beschrieben, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden kann.

Für das Paket bekam sie Beifall von grüner Seite. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold lobte die Vielzahl an Initiativen als „ambitioniert“, kritisierte aber, dass die soziale Komponente zu wenig ausgeprägt sei. „Wenn Produkte und Energie teurer werden, müssen Menschen mit niedrigeren Einkommen einen Ausgleich bekommen, sonst fliegt uns das Ganze um die Ohren.“

Von der Leyen braucht die Unterstützung von Europäischem Parlament und den Mitgliedsstaaten, um Europa klimaneutral zu machen. Unterschiedliche Interessen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden dafür sorgen, dass in den kommenden Jahren noch über viele Details gestritten wird. Die Genese des Papiers lässt erkennen, dass unterschiedliche Akteure sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Manche haben nachhaltige Spuren hinterlassen in dem Papier.

Hier einige Beispiele:

Die Chemikalienpolitik

In einer frühen Fassung des Europäischen Green Deal tauchte das Wort „Innovationsprinzip“ auf. Der Begriff ist eine Erfindung des dubiosen European Risk Forums, einem Think Tank, finanziert von den Chemieherstellern Bayer und BASF, dem Ölkonzern Chevron, sowie den Tabakonzernen Philip Morris International und British American Tobacco. Das Innovationsprinzip soll dafür sorgen, dass bei Rechtstexten die Auswirkung auf Innovation eine zentrale Rolle bekommt.

Nicht-Regierungsorganisationen befürchteten, dass es das bisher in der EU geltende Vorsorgeprinzip aushebeln könnte, das Risiken in den Vordergrund stellt. Die Chemieunternehmen hatten sich keinen Gefallen getan, indem sie sich mit der Tabakindustrie zusammentaten und eine eigene Pseudo-Denkfabrik errichteten. In der Endversion des New Deals ist nun nur noch die Rede davon, dass künftig die Auswirkung von Rechtstexten auf Innovation berücksichtigt wird. Ein vernünftiger Ansatz - die Lobbyisten haben sich nicht durchgesetzt.

Beispiel Wald

In ihrer Mitteilung fordert die EU-Kommission, dass die Waldgebiete in Europa ausgedehnt werden sollen, damit sie künftig mehr CO2 absorbieren können. Die EU-Kommission kündigt eine eigene Waldstrategie an. Die Anregung dazu kam von den Christdemokraten im Europa-Parlament. „Mich freut, dass diese Idee aufgenommen wurde“, sagt der Europaabgeordnete Peter Liese.

Beispiel Verbrennungsmotor

Umweltschützer hätten sich striktere Vorgaben für die Autoindustrie gewünscht. „Die Kommission wird strengere Emissionsstandards für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren vorschlagen“, heißt es in dem Papier. Das klingt gut, kaschiert in Wirklichkeit aber einen langsamen Wandel. Umweltschützer interpretieren den Satz so, dass es noch einmal eine Norm für Neuwagen geben wird, ehe der vollständige Wechsel zu emissionsfreien Fahrzeugen stattfindet.

von Jacqueline Goebel, Martin Seiwert, Thomas Stölzel

„Dabei werden jetzt schon die Standards nicht eingehalten“, kritisiert Franziska Achterberg von Greenpeace. Die Industrie scheint sich an diesem Punkt durchgesetzt zu haben.

Beispiel Gentechnik

In einer früheren Fassung fand sich ein Hinweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof zur gentechnisch veränderten Organismen (GMO), der sich so las, als ob GMO Teil des ökologischen Umbaus Europas sein müssten. Im endgültigen Papier finden sich immer noch Sätze, die auf die Handschrift der GMO-Lobby hindeuten. Die EU müsse das Potenzial „neuer innovativer Techniken“ erwägen, „um die Nachhaltigkeit des Nahrungssystems zu verbessern“, heißt es etwa. Und die Kommission kündigt an, das neue „innovative Nahrungsmittel und Futter“ identifiziert werden. Auch hier hat die Industrie – wenn auch in abgeschwächter Form – das letzte Wort bekommen.

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