Niederländer lehnen EU-Abkommen ab Eine Diskussion über die Begrenzung der EU ist überfällig

Geert Wilders hat die Volksabstimmung missbraucht. Trotzdem kann die EU nicht einfach so weitermachen. Grundsatzfragen gehören diskutiert.

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Wilders nach Bekanntwerden seines Abstimmungserfolgs aus:

Die Niederländer haben unter großer internationaler Anteilnahme abgestimmt. Aber über was eigentlich? Formal lehnten sie ein mehrere Jahre altes Abkommen der Europäischen Union mit der Ukraine ab, das längst in Kraft ist. In allen anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten und der Ukraine selbst ist es ratifiziert. Was diese niederländische Abstimmung überhaupt soll, kann man sich durchaus fragen.

Was steckt hinter dem Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine?

Wir erinnern uns: Dieses Assoziierungsabkommen, oder vielmehr die Bereitschaft des damaligen Präsidenten Janukowitsch es auf Druck Putins auszusetzen, war der Anlass für die Unruhen vom Februar 2013, die zum Umsturz und letztlich zur russischen Annexion der Krim und dem Aufstand der prorussischen Separatisten in der Ostukraine führten. An Bedeutung mangelt es diesem Abkommen also durchaus nicht.

Man muss aber davon ausgehen, dass die Ukraine für die niederländischen Wähler keine entscheidende Rolle spielte. Geert Wilders, das wasserstoffblonde Enfant Terrible der niederländischen Politik und Inbegriff des von allen etablierten Parteipolitikern in Europa gefürchteten Rechtspopulisten, nutzte diese Volksabstimmung als wirksame Protestaktion gegen die EU der Junckers und Merkels. „Das ist der Anfang vom Ende der EU“, rief Wilders nach Bekanntwerden seines Abstimmungserfolgs aus. Um das verkünden zu können, hatte Wilders die Bürgerinitiativen unterstützt, die diese Abstimmung möglich gemacht hatten.

Diesen Missbrauch kann man verurteilen. Ein Europa-Politiker kann sich auch damit beruhigen, dass angesichts der geringen Beteiligung der Volksabstimmungscharakter, den Wilders beansprucht, zweifelhaft ist. Nur rund ein Drittel der Niederländer stimmten überhaupt ab. Und schließlich: Die Abstimmung wird vermutlich keine großen Auswirkungen auf die Praxis in Brüssel haben. Die dickfelligen EU-Profis werden Mittel und Wege finden, dies zu verhindern.

Da liegt auch das Problem ist: Die EU hat nach wie vor ein fatales Defizit an demokratischer Willensbildung über die wirklich wichtigen politischen Fragen. Nämlich die nach den Grenzen der Ausweitung und Integration. Das Abstimmungsergebnis ist getragen vom Frust wachsender Wählerschichten über eine als selbstherrlich empfundene europäische Elite. Deren Anspruch, „den Prozess der Schaffung einer immer engeren Union der Völker“ (Maastrichter Vertrag) fortzuführen, erscheint diesen Bürgern nicht mehr angemessen.

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