
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und so haben die Niederlande-Kenner Axel Gerberding und Friso Wielenga im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online noch in der vergangenen Woche betont, dass Sie glauben, dass sich die niederländische Regierung auf das dringend benötigte Sparprogramm einigt. „Die Niederländer sind Meister des Kompromisses“, sagte Gerberding, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag.
Doch die Hoffnung trog. Die Minderheitsregierung von Mark Rutte ist gescheitert. Der liberale Premier hat bei Königin Beatrix den Rücktritt seiner Regierung eingereicht. Damit droht für die kommenden Monaten ein politisches Vakuum – und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Wirtschaft des Tulpenstaates in der Rezession steckt und die Ratingagenturen mit einer Herabstufung des Top-Ratings drohen. Die Niederlande könnten als Euro-Stütze wegbrechen, schneller als ohnehin befürchtet.
„Es macht die heikle Lage noch komplizierter“
„Dass die Verhandlungen gescheitert sind, hat uns alle überrascht“, sagt Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. „Für unser Land ist das keine gute Nachricht“, so der Niederländer. „Es macht die heikle Lage noch komplizierter.“

Ein Blick auf die Wirtschaftsdaten des einstigen Euro-Musterschülers verdeutlicht die Problematik. Die niederländische Wirtschaft befindet sich in der Rezession, das Bruttoinlandsprodukt schrumpft in diesem Jahr um 0,75 Prozent. Gleichzeitig wächst das Haushaltsdefizit um 4,5 Prozent des BIPs. Bis 2015 wird die Nettoneuverschuldung stets über der Maastricht-Grenze von drei Prozent liegen – und die Staatsverschuldung auf über 75 Prozent des BIP hieven. So jedenfalls sieht die düstere Prognose des „Netherlands Bureau for Economic“ (CPB) aus, einer unabhängigen Organisation für makroökonomische Analysen.
Dass das Land nun auch in politisch unruhigem Fahrwasser treibt, „kratzt am Status der Niederlande als einer der wenigen sicheren Häfen im Euroraum“ erklärten die Commerzbank-Analysten am Montagmorgen. "Ich befürchte, dass in diesem Jahr politisch nicht mehr viel passieren wird und die Niederlande ihr Triple-A-Stauts einbüßen werden", so Axel Gerberding gegenüber WirtschaftsWoche Online unmittelbar nach dem Rücktritts-Angebot des niederländischen Regierungschefs. "Die Unsicherheit ist überall zu spüren: In der Politik, bei den Bürgern und bei den Unternehmen."
Fakt ist – und das ist nahezu unglaublich: Seit der letzten Regierung Kok, die 2002 kurz vor den Wahlen zurücktrat, hat keine niederländische Regierung, die volle Amtszeit von vier Jahren überstanden. In wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten ist das verkraftbar; jetzt, wo Reformen und Sparpakete verabschiedet werden müssen, aber nicht.