In Rotterdam hat Pim Fortuyn vor 15 Jahren den niederländischen Rechtspopulismus erfunden und zu seinem größten Erfolg geführt. Bis heute hat seine Partei die Mehrheit im Stadtrat, doch zugleich gibt es einen muslimischen Bürgermeister, in Rotterdam wurden die zwei ersten Migrantenparteien des Kontinents gegründet. Und Herr Buijt, Fraktionschef der von Pim Fortuyn gegründeten Partei Leefbaar Rotterdam, sagt: „Bei allen Meinungsverschiedenheiten, es ist gut, dass es diese Parteien gibt.“
Der Ruf Rotterdams in den Niederlanden und jenseits seiner Grenzen unterscheidet sich grundlegend. Aus der Ferne steht die Stadt für ihren Hafen, größter Europas, Tor zum Welthandel, zum Wohlstand unserer Zeit. Nur, das hat wenig mit der Realität zu tun: Der Hafen und Rotterdam, das sind zwei getrennte Welten.
Früher sagte man in den Niederlanden: In Rotterdam werde das Geld verdient, das in Den Haag verteilt und in Amsterdam ausgegeben werde. Doch das ist lange her. Aus Sicht der Holländer steht die Stadt für die Probleme des Landes, für all das, was die Industrie hinterlässt, wenn sie aus einer Stadt verschwindet – und damit auch ein Stück weit als Erklärung, warum ausgerechnet diese Holländer politisch auf den ein oder anderen Abweg zusteuern, wo doch die Wirtschaft propper um mehr als zwei Prozent wächst und das Pro-Kopf-Einkommen so hoch ist, dass die „Financial Times“ sich jüngst über das ärmste Dorf des Landes wunderte: Wenn so die ärmsten Dörfer aussehen, wie schauen dann reiche aus?
Wilders und die Ent-Islamisierung
Das Wahlprogramm von Geert Wilders mit dem Titel „Die Niederlande wieder unser“ umfasst gerade mal auf eine A4-Seite. Wenn es nach dem Rechtspopulisten gegangen wäre, dann „hätte eine Briefmarke“ auch ausgereicht. Wilders will vor allem eins: Die „Ent-Islamisierung der Niederlande“.
Zunächst will er die „Massen-Immigration“ stoppen. Dazu sollen die Grenzen geschlossen und weder Flüchtlinge noch Migranten aus muslimischen Ländern aufgenommen werden.
Dann soll der Islam aus den Niederlanden verbannt und soweit es geht verboten werden. Wilders will alle Moscheen und muslimische Schulen schließen. Der Koran wird – wenn es nach ihm geht – verboten. Das Koranverbot, so hatte er in einem Interview erläutert, sei eher symbolisch zu verstehen. Denn im Internet sei der Koran ja frei verfügbar. Er plane jedenfalls keine Razzien in Wohnungen.
Nirgendwo gibt es einen höheren Anteil von Zuwanderern, jeder zweiter Bürger der Stadt hat seine Wurzeln im Ausland. Nirgendwo gibt es ein niedrigeres Bildungsniveau, nirgendwo mehr Arbeitslosigkeit. Dass Rotterdam, dessen Zentrum 1940 durch einen deutschen Bombenangriff vollständig zerstört wurde, bis heute am wenigsten aussieht wie eine niederländische Stadt, hat die Stadt endgültig zu einer Dystopie für die Traditionalisten im Rest des Landes werden lassen. Und so war es wenig verwunderlich, dass ausgerechnet hier der Publizist Pim Fortuyn innerhalb weniger Monate zum politischen Star wurde, als er in deftigen Worten die Probleme benannte, die ohnehin jeder sah.
Ein Lehrstück aber wurde daraus erst nach dem 6. Mai 2002, als Fortuyn von einem rasenden Tierschutzaktivisten ermordet wurde. Denn nun entwickelten sich der Rechtspopulismus in Rotterdam und der auf der Landesebene in entgegengesetzte Richtungen. Hier wie dort errangen die Rechtspopulisten überragende Siege: Fortuyns lokale Gründung Leefbaar errang die absolute Mehrheit im Stadtrat, seine nationale Liste Pim Fortuyn (LPF) sammelte mehr als 17 Prozent der Stimmen ein, ungefähr so viel wie Geert Wilders sich jetzt erhoffen darf. So gelangten beide Parteien an die Macht, Leefbaar dominierte den Stadtrat in Rotterdam fortan allein, die LPF bekam vier Ministerposten in einer konservativ-liberalen Fraktion. Doch danach trennten sich die Wege: Die LPF zerstritt sich innerhalb von Monaten so sehr, dass zuerst die Koalition scheiterte und dann die Wähler das Weite suchten – fünf Jahre später löste man sich endgültig auf, die Reste der Partei verteilten sich auf andere Gruppierungen, von denen eine bald Geert Wilders hervorbrachte, die Fortsetzung des Prinzips Pim Fortuyn mit radikaleren Mitteln.