Nizza Warum der Terror immer wieder Frankreich trifft

Seite 3/3

Wie wahrscheinlich sind solche Attacken in Deutschland?

Sicherheitsexperten warnen auch hierzulande vor einer realen Terrorgefahr. „Deutschland gehört zur Anti-IS-Koalition und ist damit ebenfalls ein mögliches Ziel“, sagt etwa Sicherheitsberater Florian Peil. „Die Frage ist nicht, ob ein Anschlag hier geschehen wird, sondern wann.“ 

Milieus, in denen sich die gefährliche Mixtur aus gesellschaftlichem Abgehängtsein und islamistischer Ideologie trifft, sieht Krause auch in Deutschland. „Aber diese Milieus sind kleiner als etwa in Frankreich oder Belgien“, sagt der Politikwissenschaftler. Die Sicherheitsbehörden hätten trotzdem Schwierigkeiten, sie zu überwachen.

In Deutschland soll es zwischen 400 und 500 sogenannte Gefährder geben. Das sind Personen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie bereit sind, Anschläge auszuführen – im Auftrag einer Terrororganisation oder eigenständig. „Das ist schon eine  große Zahl“, so Krause. „Zu Zeiten des RAF-Terrors gab es gerade mal 60 bis 70 Gefährder.“

Große Terroranschläge in Europa

 

Was kann der Westen gegen den Terror tun?

Wie nach jedem Anschlag in Europa werden nun wieder die Stimmen laut, die ein härteres Vorgehen der Sicherheitskräfte fordern und mehr Überwachungsmaßnahmen. Das bekämpft aber lediglich Symptome.

Die Politik in Frankreich wie in Deutschland muss beginnen, den Terrorismus als gesellschaftliches Problem zu bekämpfen. „Es muss verhindert werden, dass die Menschen nach Syrien ausreisen wollen, dann tatsächlich ausreisen und in Camps die Fähigkeiten für solch komplexe Anschläge erlernen“, sagt Sicherheitsberater Peil. Dafür braucht es Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen genauso wie Programme zur Deradikalisierung.

Sozialpsychologe Zick berichtet, dass bei ehemaligen Rechtsextremen intensive Gespräche und Betreuung dazu beigetragen haben, „diejenigen zu entideologisieren, die das Töten von Menschen einer vermeintlich minderwertigen Rasse für gerechtfertigt hielten.“ Das könne auch bei Islamisten gelingen. „Wir müssen an ihrem Selbstbild als Kämpfer vorbeikommen und versuchen, diese Menschen als Individuen zu erreichen.“

All das braucht viel Zeit und dämmt das Problem lediglich ein. Absoluten Schutz gibt es nicht. Islamwissenschaftler Buchta betont: „Trotz des Integrationswillens und der Bemühungen weiter Teile der Gesellschaft – es wird immer junge Muslime mit gescheiterten sozialen Lebensentwürfen, hochgradig labiler Psyche und teils sogar krimineller Vergangenheit geben. Eben diese Muslime, die glauben, dass sie sozial und wirtschaftlich benachteiligt werden, sind es, die auf der Suche nach Halt, Orientierung und Sinn im Leben leichte Opfer der Todestheologie des IS werden.“

Der Westen kann nur versuchen, diesen Menschen eine Perspektive zu geben. Bevor Islamisten es tun.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%