Nord Stream 2 Streit um deutsch-russische Gaspipeline bei EU-Gipfel

Neue Rohre durch die Ostsee sollen die Kapazität für Gaslieferungen von Russland nach Deutschland verdoppeln - und damit das Konfliktland Ukraine umgehen. Nicht jeder in der EU ist einverstanden.

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Die deutsch-russische Gaspipeline Nord-Stream Quelle: dpa

Gegen den geplanten Ausbau der Nord-Stream-Pipeline von Russland nach Deutschland formiert sich heftiger Widerstand in der EU. Nach dem Brüsseler Gipfeltreffen kritisierte EU-Ratspräsident Donald Tusk das Gas-Projekt mit scharfen Worten. Bundeskanzlerin Angela Merkel verhinderte aber eine klare Positionierung der EU gegen Nord Stream 2. Eine vor allem von ost- und mitteleuropäischen Staaten unterstützte Erklärung zur Energiepolitik schaffte es beim EU-Gipfel in Brüssel doch nicht in das Abschlussdokument.

Der Text-Vorschlag sollte deutlich machen, dass der Pipeline-Ausbau unvereinbar mit den Zielen der europäischen Energiepolitik sei. Dazu wurden als Ziele lediglich die Verringerung der Energieabhängigkeit und die Diversifizierung der Lieferanten aufgeführt. Im endgültigen Dokument werden nun aber gar keine konkreten Ziele mehr erwähnt.

Wo Gazprom in Deutschland seine Finger im Spiel hat
Des russische Energieversorger Gazprom liefert nicht nur Erdgas in verschiedene Länder, er investiert auch in Erdgastankstellen. So hat das Unternehmen im September 2013 zwölf Erdgastankstellen des bayerischen Energieversorgers FGN in Süddeutschland übernommen. „Mit der Übernahme erweitern wir unser Erdgastankstellennetz in Deutschland und bekräftigen unser Engagement für den umweltschonenden Einsatz von Erdgas als Kraftstoff“, sagte Vyacheslav Krupenkov, Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania GmbH. Mit der Übernahme baute GAZPROM Germania ihr bundesweites Netz von acht auf 23 Erdgastankstellen bis Ende 2013 aus. Quelle: dapd
Auch bei der Verbundnetz Gas AG (VNG) in Leipzig ist Gazprom investiert. Gleiches gilt für die W&G Beteiligungsgesellschaft in Kassel, die ebenfalls im Erdgastransport tätig ist. Gazprom öffnet aber auch für den Sport seinen Geldbeutel. Quelle: dpa
Gazprom spendete der Christoph Metzelder Stiftung 20.000 Euro für sozial-benachteiligte Kinder. Auf Initiative des ehemaligen Fußballnationalspielers engagiert sich das russische Energieunternehmen für das Projekt „Bildungstankstelle“ am Firmenstandort Berlin. Das außerschulische Angebot des Vereins Straßenkinder e.V. fördert sozial schwache Schüler in Marzahn-Hellersdorf mit individueller Lernbetreuung. Die Kooperation zwischen GAZPROM und der Christoph Metzelder Stiftung startete bei der offiziellen Saisoneröffnung des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04. Quelle: Presse
Seit 2007 ist Gazprom einer der Hauptsponsoren des Vereins Schalke 04. Rund 17 Millionen Euro macht der russische Gaskonzern jährlich für den Verein locker. Der hat jetzt eine Einladung in den Kreml angenommen, die angesichts der Ukraine-Krise in der Politik auf Kritik gestoßen sind. "In der momentanen Lage eine Einladung in den Kreml anzunehmen und sich so instrumentalisieren zu lassen, zeugt nicht wirklich von Fingerspitzengefühl", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber der "Bild"-Zeitung . Neben Schalke fördert Gazprom auch Zenit St. Petersburg, Roter Stern Belgrad und den FC Chelsea. Quelle: AP
Ganz aktuell fördert Gazprom die Fotoausstellung des russischen Künstlers Yurgis Zanarevsky im Berliner "Café des Artistes". Quelle: Screenshot
Auch für die Deutsch-Russischen Festtage macht Gazprom Geld locker, statt. "Gazprom Germania unterstützt die Deutsch-Russischen Festtage seit ihren Anfängen als zuverlässiger Partner. Mit unserer Förderung ermöglichen wir allen Besuchern den kostenfreien Besuch des Kulturfestes und viele Begegnungen zwischen Menschen aus Russland und Deutschland", heißt es seitens des Unternehmens. Quelle: AP
Außerdem bezuschusst Gazprom die Deutsch-Russischen Filmtage und die Russische Filmwoche in Berlin. "Wir sorgen dafür, dass das weltberühmte Mariinski-Theater aus St. Peterburg das Berliner Publikum verzaubert", heißt es im Geschäftsbericht. Quelle: Presse

Der aus Polen stammende Tusk kritisierte, Nord Stream 2 würde die Abhängigkeit von Russland erhöhen und 80 Prozent der Lieferungen auf einer Route versammeln. „Aus meiner Sicht trägt das nicht zur Diversifizierung (der Energieversorgung) bei.“ Das laufe den Zielen der EU-Energiepolitik zuwider. „Wir müssen europäisches Recht verteidigen.“

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

Nord Stream 2 ist auch umstritten, weil die Ukraine befürchtet, dass durch eine Umleitung der Gasversorgung Westeuropas die Position Kiews gegenüber Moskau geschwächt wird. Merkel (CDU) sagte, es müssten Wege gefunden werden, „bei denen die Ukraine als Transitland nicht völlig unbedeutend wird.“ Nord Stream 2 sei ein wirtschaftliches Projekt mit privaten Investoren, sagte sie.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban sagte, beim Gipfel hätten mehrere Länder darauf hingewiesen, dass die Interessen der Ukraine nicht ignoriert werden könnten. „Das war komplizierter als die Migrationsfrage“, erklärte Orban nach den Gesprächen.

Fünf Folgen der Wirtschaftskrise in Russland

Neben Ungarn kritisieren auch zahlreiche andere mittel- und osteuropäische Staaten die Pläne. Ihr Hauptargument ist, dass die Gaspipeline die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen nicht verringere, sondern verstärke. Zudem muss zum Beispiel die Slowakei mit dem Verlust von Transitgebühren rechnen, weil russisches Gas künftig nicht mehr durch ihr Gebiet sondern über die Ostsee nach Westeuropa gepumpt würde. Auch Italien äußerte nach Angaben von Diplomaten Kritik. Tusk verwies darauf, dass nach Einschätzung der EU-Kommission der russische Gazprom-Konzern mit Nord Stream 2 eine dominierende Position im deutschen Markt bekäme.

Kritische Stimmen kommen mittlerweile auch aus dem Deutschen Bundestag. „Es spricht viel dafür, dass Nord Stream 2 die Ziele der vereinbarten europäischen Energiepolitik konterkariert“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es bestehe die Gefahr, dass das Projekt Europa spalte. „Die Sicherheit Europas darf nicht gefährdet werden. Demgegenüber müssen wirtschaftliche Interessen zurückstehen.“

Beteiligt an den Nord-Stream-2-Plänen sind neben Russland auch die deutschen Konzerne Eon und BASF sowie das britisch-niederländische Unternehmen Shell, die österreichische OMV und die französische Engie-Gruppe. Die Unternehmen wollen die Kapazität der bereits bestehenden Nord-Stream-Leitung durch die Ostsee durch den Ausbau verdoppeln. Die Pipeline ist rund 1200 Kilometer lang.

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