Ökonomen warnen EZB gerät in die Bredouille

Führende deutsche Forschungsinstitute sind sich einig: Die lockere Geldpolitik der EZB führt ins Verderben. Die Preisstabilität könne auf Dauer nicht gewährleistet werden.

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EZB-Chef Mario Draghi Quelle: dapd

Mit dem Öffnen der Geldschleusen gerät die EZB nach Ansicht führender deutscher Forschungsinstitute bei der Inflationsbekämpfung in die Bredouille. Ohne geeignete Mechanismen zur Lösung der Schuldenkrise sei zu befürchten, dass die EZB eine Normalisierung ihrer Geldpolitik zu lange hinausschiebe, warnten sie in ihrem am Donnerstag vorgelegten Frühjahrsgutachten. Die lockere Geldpolitik werde dann solange fortgesetzt, bis „auch vom letzten nationalen Bankensystem im Euroraum“ keine Gefahr mehr ausgehe.

„Dies liefe aber darauf hinaus, die Geldpolitik am schwächsten Mitgliedsland auszurichten statt am Euroraum insgesamt“, erklärten die Forscher. Die EZB könne dann bei der Inflationsbekämpfung nicht mehr angemessen reagieren, mit negativen Folgen für die Preisstabilität.

Machtlose EZB

Die EZB hat das Finanzsystem mit zwei großen langfristigen Kreditlinien im Volumen von mehr als einer Billion Euro geflutet, um eine mögliche Kreditklemme im Euroraum zu verhindern. Kritiker allerdings behaupten, der EZB-Präsident Mario Draghi habe mit den Drei-Jahres-Tendern, die er im Dezember und Februar vergeben hat, heimlich vor allem Finanzinstitute aus Schuldenstaaten wie seinem Heimatland gerettet. Bankchefs aus Italien und Spanien sollen ihn überhaupt erst auf die Idee mit der Billionen-Euro-Spritze gebracht haben. Draghi hat das lange abgestritten und auf die Gefahren einer Kreditklemme für die Realwirtschaft hingewiesen.

Im April aber gab Draghi auf einer Pressekonferenz zu, dass die EZB eigentlich machtlos ist und nichts gegen eine Kreditklemme ausrichten kann. Die Banken würden keine Kredite vergeben, weil sie nicht genügend Kapital hätten und aufgrund des schwierigen Marktumfelds zu vorsichtig seien. Dagegen könne die EZB nichts tun. Sie könne die Banken nur mit Liquidität, nicht aber mit Kapital ausstatten. Der Hauptursache für die geringe Kreditvergabe sei sowieso vor allem die mangelnde Kreditnachfrage – und gegen die könne die EZB nun wirklich gar nichts tun.

Die lange Laufzeit der EZB-Kredite von drei Jahren und die Tatsache, dass die Zentralbank ihre Anforderungen an Sicherheiten für die Kreditvergabe heruntergeschraubt hat, gibt den Instituten, die das Frühjahrsgutachten heute vorstellten, Anlass zur Sorge.

Ungleichgewicht durch Target-2

Hans-Werner Sinn Quelle: dapd

„Dies hat zu massiven Verwerfungen und damit volkswirtschaftlichen Kosten an anderer Stelle geführt“, mahnten die Forscher und verwiesen dabei insbesondere auf die Ungleichgewichte im sogenannten Target-2-Zahlungsverkehrssystem der Euro-Zone. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts müssen sich die Notenbanken Spaniens und auch Italiens über diesen Finanzierungskanal immer mehr Geld von Zentralbanken wirtschaftlich starker Länder wie Deutschland leihen. Seit Juli 2011 sind danach allein von den Notenbanken Spaniens und Italiens Target-Kredite im Umfang von 483 Milliarden Euro gezogen worden, um ihre Volkswirtschaften mit billigen Krediten versorgen zu können.

Stabilisierung der Lage

Die EZB befände sich auf der „schiefen Bahn“, sagte er weiter. „Kein System überlebt ein Regime der lockeren Budgetbeschränkungen, bei dem staatliche Instanzen die tatsächlichen Knappheiten der Ökonomie dauerhaft mit der Notenpresse übertünchen. Die EZB treibt Europa mit dieser Politik in die Inflation oder in eine Transferunion, mindestens verzerrt sie die Allokation der Ressourcen“, so der ifo-Chef.

In ihrem Frühjahrsgutachten zeigen sich die deutschen Forscher immerhin optimistisch, dass Irland, Italien und Spanien eine Stabilisierung der Lage und mittelfristig eine Reduktion der Schuldenquoten erreichen können. Für Griechenland und Portugal sei die Lage deutlich schwieriger. „Hier ist allenfalls eine Stabilisierung des Schuldenstandes auf sehr hohem Niveau zu erwarten“, warnten die Forscher.

EZB-Chef Mario Draghi hingegen redet die Lage weiter schön. Er sieht die Euro-Zone im Kampf gegen die Schuldenkrise auf einem guten Weg. „Das Schlimmste ist vorüber“, so Draghi im Interview mit der der „Bild“-Zeitung Ende März.

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