Österreich Das Wirtschaftswahlprogramm ist eine Wundertüte

Nach den Nationalratswahlen in Österreich bahnt sich eine Regierung aus der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ an. Wird die Wirtschaft im Alpenland Schaden nehmen?

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Mit Hans-Christian Strache (FPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) an der Spitze geht es mit Österreich nach rechts. Quelle: AP

Die entscheidende Aussage des österreichischen Wahlabends kam vom Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Heinz-Christian Strache: „60 Prozent der Österreicher haben das FPÖ-Programm gewählt.“ Auch wenn Rechtsaußen Strache nur rund 26 Prozent der Stimmen bekam, ist seine Aussage doch nicht falsch. Denn die rund 31 Prozent, die Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP holte, gehen maßgeblich auf das Wahlprogramm Straches zurück: In seiner Forderungen nach einem rigorosen Zuwanderungsstopp und seiner anti-muslimischen Rhetorik hat sich Kurz wohlfeil im xenophoben Fundus der Freiheitlichen bedient.

Doch noch etwas machte Straches Aussage am Wahlabend deutlich: Die Gemeinsamkeit zwischen den Zielen von FPÖ und ÖVP. Zwar gelten die Sozialdemokraten, die am Wahlsonntag mit fast 27 Prozent den zweiten Platz holten, als der eigentliche Wunschpartner von Strache. Denn neben dem smarten Kurz, das ist Strache klar, wirken seine Hetztiraden irgendwie altbacken. Doch ein paar prestigereiche Ministerposten könnten den früher in Neonazi-Kreisen verkehrenden Strache wohl umstimmen. Doch was würde dieses schwarz-blaue Bündnis für die Wirtschaft im Alpenland bedeuten?

Über mangelnde Unterstützung aus der Wirtschaft konnte Österreichs konservativer Jungstar im Wahlkampf jedenfalls nicht klagen. Der ehemalige Formel-1-Weltmeister Niki Lauda machte sich ebenso stark für Kurz wie der Chef der Motorradschmiede KTM, Stefan Pierer. Letzterer gilt auch als der größte Einzelspender von Kurz.

Verwunderlich ist diese prominente Unterstützung allemal. Denn das Wirtschaftswahlprogramm von Kurz gleicht einer Wundertüte: Überschrieben mit schönen Schlagwörtern wie Bürokratieabbau und Familie stärken, weiß eigentlich niemand so genau, was unter einem Kanzler Kurz wirtschaftspolitisch zu erwarten ist.

Das Image des hartgesottenen Reformers und Durchgreifers, das Kurz im Wahlkampf prägte, steht diametral zu seiner ÖVP, die nach Jahren der Großen Koalition als sicherer Faktor des Stillstands gilt. Doch auch die wirtschaftlichen Berater, die hinter dem 31-Jährigen stehen, verbürgen nicht unbedingt Integrität und Aufbruch.

"Wir haben das Unmögliche möglich gemacht"

Da wäre etwa die schillernde Figur des Immobilientycoons und Karstadt-Eigentümers René Benko. „Sie kennen sich, sie schätzen sich“, heißt es aus Benkos Umfeld zu dessen Verhältnis zu Kurz. Dass Benko vor drei Jahren wegen Bestechung verurteilt wurde, stört Kurz offenbar nicht.

Ein weiterer Unternehmer in der Fangemeinde von Kurz ist Siegfried Wolf. Der 59-Jährige stand bis 2010 an der Spitze des österreichischen Autozulieferers Magna. Wenig später wurde er Aufsichtsratschef bei Russian Machines, dem Konzern des russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Wolf, so heißt es in Wien, soll zu den engsten Beratern des ÖVP-Kandidaten gehören. Der Manager bestreitet dies, sagt aber: „Sebastian Kurz ist von seinem jugendlichen und positiven Instinkt gut beraten. Das, was er macht, gefällt mir.“

Das bedeutet eine FPÖ-Beteiligung für das Image Österreichs

Ob die dynamischen Fernsehbilder, mit denen Kurz das Alpenland derzeit euphorisiert, auch Österreichs Wirtschaft neue Impulse geben, darf mit Blick auf dessen Partei zumindest bezweifelt werden.

Schließlich stellte seine ÖVP seit mehr als drei Jahrzehnten den Wirtschafts- und seit mehr als zehn Jahren auch den Finanzminister. Das traurige Ergebnis: Die Steuer- und Abgabenquote des Landes stieg auf 43 Prozent, die Staatsschulden seit dem Jahr 2000 von 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 86 Prozent.

Zudem hat Kurz zwar auf der Topebene der ÖVP eine Reihe von Posten neu besetzt. Aber schon in der zweiten Reihe sitzen immer noch viele, die über Jahre jede Reform der österreichischen Wirtschaft verhindert haben. „Und mit genau denen werden wir auch weiterhin reden“, kündigte ein einflussreicher Lobbyist in Wien bereits im Wahlkampf an.

Seit seiner Zeit als Außenminister plagiiert Kurz die Forderungen Straches in der Fremdenpolitik und landete mit der Schließung der Balkanroute einen Coup, der sein Image als Hardliner prägte. Wirtschaftspolitisch könnte ein Kopieren der Ideen von Rechtsaußen aber schnell ins Abseits führen. Zusammenfassen lässt sich das Programm Straches mit dem Ruf nach Abschottung. So will die Rechtspartei den heimischen Arbeitsmarkt sowohl für EU- als auch Nicht-EU-Bürger in weiten Teilen abriegeln. Ausländer in Österreich sollen dort nur noch die Sozialleistungen beziehen, die sie auch in ihrer Heimat bekommen würden. Längst haben Sozialdemokraten und die Konservativen von Kurz diese Forderungen für sich entdeckt. Würden sie umgesetzt, wäre das ein weiterer Stoß gegen die europäische Solidarität.

Spannend bleibt auch die Frage, was eine Regierungsbeteiligung der FPÖ für das Image des Alpenlandes bedeuten würde. Bereits bei der Wahl zum Bundespräsidenten im vergangenen Jahr, bei der sich der Grünen-nahe Kandidat Alexander van der Bellen hauchdünn gegen Norbert Hofer  von der FPÖ durchsetzte, musste mancher Unternehmer Kollateralschäden hinnehmen. So beklagte der internationale Holzhändler Andreas Holub, der in Oberösterreich das 12-Mann-Unternehmen HBC Timer Solutions führt, dass drei Kunden wegen des Hypes um Hofer Großaufträge storniert hätten. Fast die Hälfte seines Umsatzes büßte Holub damals ein.

Man darf gespannt sein, wie ausländische Fachkräfte auf einen möglichen Innenminister Strache reagieren werden. Wahlsieger Kurz muss nun entscheiden, ob er das Risiko einer Koalition mit den Freiheitlichen eingeht. Sein Stürmer-und-Dränger-Image kann Kurz nach seinem Wahlsieg jedenfalls wieder aufgeben.

Es wirkt ohnehin wie ein Anachronismus: Denn mit der österreichische Wirtschaft ging es zuletzt auch ohne einen Kanzler Kurz wieder aufwärts. Nach einem Wachstum von 1,5 Prozent im vergangenen Jahr könnte die Volkswirtschaft der Alpenrepublik im laufenden Jahr um zwei Prozent und 2018 um 1,8 Prozent wachsen, erwartet das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen ist in diese Prognose allerdings nicht eingepreist.

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