




Hans-Werner Sinn, Joachim Starbatty, Max Otte und weitere 157 Top-Ökonomen wehen sich gegen die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung. "Die Entscheidungen, zu denen sich die Kanzlerin auf dem Gipfeltreffen der EU-Länder gezwungen sah, waren falsch", schreiben sich in einem Entwurf einer Erklärung, die vorab publik wurde. Die Wirtschaftswissenschaftler sähen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge.
"Die Bankschulden sind fast dreimal so groß wie die Staatsschulden und liegen in den fünf Krisenländern im Bereich von mehreren Billionen Euro", heißt es weiter. "Die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas dürfen für die Absicherung dieser Schulden nicht in Haftung genommen werden, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind. Banken müssen scheitern dürfen."
Die Beschlüsse des Euro-Gipfels im Überblick
Um den Teufelskreis zwischen angeschlagenen Banken und Staatsfinanzen zu durchbrechen, sollen Geldhäuser direkt aus dem Rettungsfonds ESM rekapitalisiert werden, heißt es in der Gipfelerklärung. Durch die Notkredite wird sich dann die öffentliche Verschuldung nicht mehr erhöhen - und die Zinsen könnten sinken. Mit dem Beschluss wird eine Kernforderung Spaniens erfüllt. Aber auch Irland wird in Aussicht gestellt, davon Gebrauch machen zu können, um die Schuldentragfähigkeit zu erhöhen. Die Hilfe soll an „angemessene Bedingungen" geknüpft werden.
Voraussetzung für die direkte Bankenhilfe ist eine effiziente Aufsicht auf der Euro-Ebene. Die Kommission wurde beauftragt, in Kürze einen Vorschlag für einen entsprechenden Mechanismus zu präsentieren, an dem die Europäische Zentralbank beteiligt sein soll. Die Mitgliedsstaaten werden aufgerufen, den Gesetzesvorschlag vordringlich bis Ende des Jahres zu prüfen.
Das bereits zugesagte Rettungsprogramm für die spanischen Banken soll so schnell wie möglich beschlossen werden. Anders als bislang vorgesehen, sollen die Kredite der Europartner keinen Vorrang vor Krediten der Privatgläubiger haben, wenn das Geld aus dem ESM kommt. Im Falle einer Pleite müssten die öffentlichen Geldgeber also genauso verzichten wie die Privatwirtschaft.
Länder, die den Brüsseler Spar- und Reformverpflichtungen nachgehen, erhalten einen erleichterten Zugang zu den Rettungsschirmen. Wenn sie die Instrumente - etwa den Aufkauf von Staatsanleihen durch den Fonds - nutzen, müssen sie sich keinem zusätzlichen Anpassungsprogramm unterwerfen. Sie müssen lediglich eine Vereinbarung unterzeichnen, dass sie die Vorgaben aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Hausaufgaben der Kommission fristgerecht erfüllen. Das ist ein großes Entgegenkommen an Italien, das bislang aus Sorge vor den strengen Konditionen vor dem Griff zum Eurotropf zurückgeschreckt war.
Die Eurogruppe soll die Beschlüsse bis zum 9. Juli umsetzen.
Die Vertiefung der Eurozone wird vorangetrieben. Die Euro-Chefs einigten sich auf die Baustellen: Den Aufbau einer Banken-Union, einer Fiskal-Union und einer politischen Union. Im Arbeitspapier der Vierergruppe um EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy findet sich weiterhin der Unterpunkt einer schrittweisen Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen. Die Bundesregierung wies die Mutmaßung von Italiens Ministerpräsident Mario Monti zurück, damit sei die Tür zu Euro-Bonds geöffnet. Über die Inhalte soll erst auf dem nächsten Gipfel im Oktober gesprochen werden.
Beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche einigten sich die Staats- und Regierungschefs der 17 Länder auf Druck Italiens und Spaniens darauf, die Bedingungen für das Abrufen von Hilfskrediten vom Euro-Rettungsschirm zu lockern. Zudem arbeiten Spitzenbeamte um EU-Kommissionspräsident Manuel Barosso an einem Konzeptpapier, um die Schuldenkrise zu bekämpfen. Die EU-Pläne sehen unter anderem die Einführung von Eurobonds auf. Auch eine gemeinsame Einlagensicherung wird diskutiert. Zugleich sollen die Geldinstitute durch eine europaweite Aufsicht besser überwacht werden.